Die Führung durch die Aberlour-Destillerie war die einzige Tour, die wir schon von zuhause aus vorgebucht haben. Das ist auch zu empfehlen, denn zu den beiden täglichen Terminen der Aberlour Experience um 10 und 14 Uhr werden je nur 16 Personen mitgenommen. Das sorgt dafür, dass die Touren nicht zur Massenveranstaltung werden und liegt wohl auch schlicht daran, dass im Tasting-Raum am Ende nicht mehr Sitzplätze vorhanden sind.

“Habt ihr gut gefrühstückt?”
Unsere Führerin Ellen (stilecht im Schottenrock) fragt uns als erstes, ob wir gut gefrühstückt haben. Eine berechtigte Frage um 10 Uhr morgens, denn immerhin gibt es später nicht weniger als 6 Whiskys zu verkosten. Da ist eine solide Grundlage mit einem Full Scottish Breakfast schon fast Pflicht. Zum Glück fühlen sich alle stark genug und so geht es über das kompakte Destillerie-Gelände. Leider darf man in den Gebäuden selbst nicht fotografieren.
Wie fast alle schottischen Brennereien hat auch Aberlour eine ganze Reihe von Arbeiten ausgelagert. Dazu gehört das Mälzen der Gerste, das Abfüllen des Whiskys in Fässer und die Lagerung. Es gibt ein paar Lagerhäuser vor Ort, aber die würden bei weitem nicht ausreichen, um die Jahresproduktion von 3,5 Mio. Liter reifen zu lassen. Die Destillerie wird mit nur 10 Mitarbeitern betrieben, viele Prozesse werden von Computern überwacht und gesteuert.
Ein spendabler Whisky-Baron
Die Aberlour Distillery hat in ihrer Geschichte zahlreiche Besitzerwechsel erlebt. Die prägendste Zeit dürfte die unter James Flemming gewesen sein, der die Brennerei nach einem Brand im Jahr 1879 erneut aufbaute. Der neue Standort liegt eine Meile vom alten Sitz entfernt. Flemming erwies sich als engagierter Wohltäter für die Stadt: Er finanzierte ein Gemeindezentrum, ein Krankenhaus und ließ eine Metall-Fußgängerbrücke über den Fluss errichten. Die Brücke hatten wir an dem Morgen selbst noch benutzt – ohne sie wäre es ein riesiger Umweg zur Destillerie gewesen und wir wären wohl zu spät gekommen. Also danke, James Flemming!

Heute gehört Aberlour zu den Chivas Brothers bzw. zum Spirituosen-Konzern Pernod Ricard. Rund 90 % des Whiskys in Aberlour werden für Blends wie Chivas Regal, Royal Salute und andere produziert. Doch auch die Single Malts laufen gut: Aberlour steht mit ihnen in Frankreich auf Platz 1 der Verkaufscharts.
Die Tour durch die Aberlour Distillery
Die Führung folgt den üblichen Stationen einer Destillerie-Besichtigung: Erst schauen wir uns die Malzmühle an, dann geht es zu den Mash Tuns. Hier wird die gemälzte und zu feinem “Grist” zermahlene Gerste mit heißem Wasser gemischt, damit der Zucker sich herauslöst. Aus diesem soll später der Alkohol werden.
Nach einem kurzen Blick auf den sich träge bewegenden Getreidebrei geht es zu den Washbacks. Hier kommt die Flüssigkeit aus den Mash Tuns an – die Gerstenreste werden vorher gefiltert und als Viehfutter an Bauern verkauft. In den Washbacks werden dem Sud mehrere hundert Liter Flüssighefe zugesetzt. Laut Ellen ist die Art der Hefe besonders entscheidend für den späteren Geschmack des Whiskys. Die Fermentierung im Washback dauert etwa zwei Tage.
Jetzt nimmt Ellen einen Metallkrug und einer der Besucher darf ihn an einer Kette in den riesigen Edelstahlbehälter hinablassen. Die Probe des Washs dürfen wir anschließend verkosten: Sie schmeckt wie ein junges, etwas unreifes Bier und hat ausgereift einen Alkoholgehalt von 8-9 Prozent.
Den entscheidenden Schritt zum Whisky sehen wir nebenan bei den kupfernen Brennblasen. Hier wird das Gebräu destilliert und zu einem „low wine“ genannten Schnaps mit 25-35 % Alkohol gebrannt. Nach einem zweiten Brennvorgang wird ein Alkoholgehalt von rund 70 % erreicht. Das Destillat teilt sich in „Head“, „Heart“ und „Tail“ (also Kopf, Herz und Schwanz). Ersteres und letzteres sind unerwünscht, da sie Fuselöle und unerwünschte Stoffe enthalten. Der Brennmeister steuert den Brennprozess so, dass nur das „Herz“ des jungen Schnapses ins Fass kommt. Der Rest wird erneut destilliert.

Leider keine Warehouses
Eigentlich hatten wir uns schon ein bisschen auf die Besichtigung des Warehouses vor Ort gefreut, doch Ellen muss uns enttäuschen. Durch eine Überschwemmung hat der Metallboden der Lagerhäuser angefangen zu rosten und muss erneuert werden. Aktuell sind die Mitarbeiter damit beschäftigt, alle Fässer an andere Standorte auszulagern und später wieder zurückzubringen. Und so geht es nach dem Besuch im Brennhaus direkt zur Verkostung. Die ist auch das eigentliche Highlight der Führung bei Aberlour. Fast alle anderen Abläufe kann man so oder so ähnlich auch in anderen Destillerien sehen.

Unser Tasting bei Aberlour
New Spirit (69 % Alkohol)
Spannenderweise dürfen wir zu Beginn erst mal den New Spirit verkosten, also den ungereiften Schnaps, so wie er aus der Brennblase kommt und ins Fass gefüllt wird. Der schmeckt nach Kornbrand, hat eine leichte Süße und einen deutlichen Getreide-Charakter. Insgesamt ist er aber sehr spritig und scharf. Definitiv nicht mit einem Whisky vergleichbar – und umso erstaunlicher, was die Lagerung im Fass aus diesem jungen Schnaps machen kann.
Aberlour 10 Jahre
Die klassische Abfüllung des Aberlour, welche man auch in Kaufhäusern und teilweise im Supermarkt findet. Der 10-jährige Single Malt riecht jung und frisch mit Fruchtnoten (Apfel und Zitrone). Der Geschmack ist angenehm weich und malzig. Süßes Karamell umspielt die Zunge, ergänzt um Vanille. Diese Aberlour schmeckt fast ein bisschen wie ein Rum. Das Eichenholz des Fasses ist deutlich herauszuschmecken.
Aberlour 16 Jahre Bourbon Cask (51,4 % Alkohol)
Eine spannende Sonderabfüllung des Single Malts, welche nur in amerikanischen Bourbon-Fässern gelagert wurde. Der Whisky riecht deutlich nach Bourbon und nach BBQ-Marinade, tiefe Aromen wie dunkle Schokolade folgen. Auf der Zunge ist der Aberlour 16 Bourbon Cask wunderbar weich mit dem Geschmack von Paranuss. Das Eichenaroma des Fasses ist angenehm in die komplexe Struktur eingebettet und gibt dem Whisky ein trockenes Finish. Eine dezente Rauchigkeit rundet diesen außergewöhnlichen Malt ab.
Aberlour 16 Jahre Sherry Cask (58,2 % Alkohol)
Hilfe, ein Sherrymonster! Die „Sherry Cask“-Edition ist ein Beispiel dafür, wie eine ausschließliche Lagerung im Sherryfass einen Whisky verderben kann. Der Geruch geht noch in Ordnung: Intensiv fruchtig mit Sherrynote, Himbeer und Zitrusfrüchten kitzelt er die Nase und blendet mit Obstbrand nicht mehr ganz so fein ab. Im Mund betäubt die intensive Sherrynote den Gaumen, süß und trocken zugleich. Ein wirklich unangenehmer Geschmack, der leider auch recht lange anhält. Auch unsere Führerin bestätigte diese Ansicht indirekt. Es gebe viele, die den Aberlour 16 Sherry Cask für “oversherried” hielten. Der Begeisterung bei den anderen Tour-Teilnehmern tat dies keinen Abbruch. Etliche füllten sich für 65 Pfund eine Flasche von dem limitierten Sherrytrank ab.
Aberlour A’bunadh (60,4 % Alkoholgehalt)
Auch Aberlour experimentiert mit No-Age-Statements, also Whiskys ohne Altersangabe. Der A’bunadh wurde ausschließlich im Sherryfass gelagert, allerdings deutlich kürzer als der „Aberlour 16 Sherry Cask“. Im Geruch ist die Sherrynote unverkennbar, doch auch der ungereifte „New Spirit“ ist noch klar präsent und lässt den Aberlour A’bunadh etwas dumpf erscheinen. Im Mund brennt der Whisky dann auch erst mal etwas auf, bevor er Platz für andere Aromen macht. Dann liefert er süßen Honig und Kräuter, gemischt mit Sherry. Er schmeckt intensiver als der 10 Jahre alte Aberlour.

Unsere Rangliste der Aberlour-Whiskys:
1./2. Platz: Aberlour 16 und Bourbon Cask
3. Platz: Aberlour 10
4. Platz: Aberlour a’bunadh
5. Platz: Aberlour Sherry Cask
Den New Spirit haben wir mal außen vorgelassen, da es sich ja streng genommen nicht um einen Whisky handelt und er ohnehin unweigerlich das Nachsehen gegen die anderen Abfüllungen gehabt hätte.
Aktualisiert am 6.12.2023 um 17:50 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API