Titelfoto: Pedro Fernandes / Flickr
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es keine Frage: Wer es sich leisten konnte, trank Arrak. Rum und Gin hingegen waren Spirituosen für arme Leute und Trinker. Und so brachte Marco Polo bei seinen Handelsexpeditionen in den fernen Osten die ersten Flaschen Arrak mit. Und der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe verfasste unter dem Einfluss des Arrak-Punsches mutmaßlich seine besten Zeilen.
“Es sei mir ein Fläschchen reinen Arraks und Punsch mache sich jeder nach Lust.” – Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1790
Heute ist Arrak zumindest in Europa weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Geschichte des Arraks ist also auch die Geschichte eines beispiellosen Niedergangs einer Spirituose, die früher ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und der Trinkkultur war.
Wir gehen auf Spurensuche, erzählen wie Arrak in Sri Lanka und anderen Ländern auch heute noch produziert wird und welche Versuche es gibt, den Arrak auch hierzulande wieder salonfähig zu machen.

Was ist eigentlich Arrak?
Bei Arrak handelt es sich um eine Spirituose, die aus Palmwein hergestellt wird. Ursprünglich kommt sie vor allem aus Indien, Sri Lanka, Indonesien und den Philippinen. Arrak ist eine der ältesten Spirituosen der Welt – und so verwundert es auch nicht, dass sich über die Jahrhunderte und in den einzelnen Regionen ganz unterschiedliche Varianten entwickelt haben: So wird ein Batavia Arrak aus Indonesien zum Beispiel aus Reis und Zuckerrohr gebrannt. Arrack aus Sri Lanka (dort auch “Toddy” genannt) hingegen wird nur aus Kokospalmwein hergestellt. Und ist von Arak oder Araq mit nur einem “r” die Rede, dann ist damit ein Anisschnaps auf Weintraubenbasis gemeint, der vor allem in Ländern des Orients gerne serviert wird. Letzterer hat mit dem Palmwein-Arrak nur noch den ähnlichen Namen gemeinsam und ist eher mit dem griechischen Ouzo oder dem türkischen Raki verwandt.

Aus Palmwein wird Arrak: Die Herstellung der Spirituose
Wer Arrak brennen möchte, muss erst einmal hoch hinaus: Denn für die Herstellung der Spirituose wird Palmsaft benötigt. Diesen erhält man, wenn man auf auf eine Kokos- oder Zuckerpalme klettert, die Blüten in den Palmkronen abbindet, anschneidet und den herauslaufenden Blütensaft in einem Gefäß auffängt.
Im heißen Klima vor Ort fängt dieser Saft in der Sonne an zu gären. Kommt man am nächsten Morgen zurück, ist der Palmsaft zu Palmwein geworden und hat einen Alkoholgehalt von etwa 4-6 %. Jetzt heißt es schnell sein, denn die Gärung läuft ständig weiter. Nach 48 Stunden kann es gut sein, dass der Palmwein während der Gärung zu Essig geworden ist. Aus einer einzigen Palme können jeden Tag rund 4-5 Liter Palmwein gewonnen werden.

Was machen die Arbeiter mit dem frisch geernteten Palmwein? Ein Großteil wird direkt nach der Ernte in die örtlichen Kneipen transportiert und getrunken. Auch in Flaschen abgefüllt ist der Palmwein in den Ernteländern äußerst beliebt. Wer den Palmzucker gewinnen möchte, kann den Wein erhitzen bis nur noch der Zucker übrig bleibt. Und drittens lässt sich aus dem Palmwein auch Arrak brennen.
Wer den Prozess besser kontrollieren möchte, kann die unkontrollierte Gärung des Palmsaftes auf der Plantage auch direkt unterbinden und später in Washbacks innerhalb der Destillerie gezielt wieder anstoßen. Hier wird der Palmwein in mehreren Schritten destilliert: Das kann in kupfernen Brennblasen passieren, aber je nach Größe der Anlage auch in Column stills (Säulenbrennverfahren) oder in einer Kombination aus beidem. In jedem Fall entsteht während der Destillation zunächst ein “low wine” mit einem Alkoholgehalt zwischen 20 und 40 %. Dieser wird mindestens ein weiteres Mal destilliert und erreicht so einen Alkoholgehalt von 60 bis 70 %. Anschließend wird hochwertiger Arrak in Holzfässer abgefüllt und mehrere Jahre lang gelagert.

Ähnlich wie beim Rum reift auch Arrak durch das heiße Klima relativ schnell. Schon nach 3-5 Jahren kann ein Destillat eine gute Reife zum Trinken haben, die ältesten erhältlichen Arrak-Sorten haben meist nicht mehr als 15 Jahre im Fass verbracht. Da Arrak gesetzlich nur wenig reguliert ist, können ähnlich wie beim Rum allerhand Zusatzstoffe beigegeben werden. Umso mehr sollte man beim Erwerb eines Premium-Arraks darauf achten, dass dieser keine zusätzlichen Aromen oder Farbstoffe enthält und auch nicht mit Neutral-Alkohol verblendet wurde.
Eine kurze Geschichte des Arraks
„Der Registrator Heerbrand griff in die tiefe Tasche seines Matins und brachte in drei Reprisen eine Flasche Arrak, Zitronen und Zucker zum Vorschein. Kaum war eine halbe Stunde vergangen, so dampfte ein köstlicher Punsch auf Paulmanns Tische.“ – E.T.A. Hoffmann in “Der goldene Tropf” im Jahr 1814
Was der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann in seiner romantischen Novelle “Der goldene Tropf” schildert, ist ein zu dieser Zeit ganz alltägliches Trinkritual. Der scharfe Arrak-Schnaps wurde mit Zitronen und Zucker in einen trinkbaren Zustand versetzt. Für den heutigen Leser erscheint das ungewöhnlich: Denn mit dem Arrak ist auch die Tradition des Punschtrinkens aus unserem Brauchtum verschwunden. Allenfalls Glühwein oder Feuerzangenbowle genießt man noch im heißen Zustand. Die überwiegende Mehrzahl der alkoholischen Drinks wird hingegen eisgekühlt genossen.
Zunächst lief es gut für den Arrak: Marco Polo brachte die Spirituose im 13. Jahrhundert als einer der ersten von seinen Expeditionen nach Europa. Zu dieser Zeit gab es keinen schottischen Whisky (erste urkundliche Erwähnung 1494), keinen karibischen Rum und keinen englischen Gin (wurden beide erst Mitte des 17. Jahrhunderts erfunden). In Indien war die Kunst der Destillation aus Palmsaft hingegen schon länger bekannt. Einige Quellen setzen die erste Destillation zwischen 1000 und 500 Jahren vor Christus an, andere vermuten dass das Verfahren sogar noch älter ist.
In jedem Fall war es ein Novum, als Marco Polo bei seiner Ankunft in Italien eine Flasche Arrak aus seiner Reisetasche zauberte. Es blieb nicht bei der einen Flasche und schon bald konnten sich die italienischen Kaufleute vor Kundschaft nicht retten. Unterlagen aus dieser Zeit belegen, dass insbesondere Genueser Kaufleute schon bald groß in den Handel einstiegen und den Arrak bis nach Russland brachten.
Im Jahr 1619 eroberte die Niederländische Ostindien-Kompanie die indonesische Insel Java und benannte dessen Hauptstadt in Batavia um. Der dort aus Zuckerrohr und Reis hergestellte Schnaps kam als Batavia Arrak nach Europa.
Arrak boomte in dieser Zeit, kein gesellschaftliches Fest kam ohne einen großen Topf mit Punsch aus, der heiß oder kalt genossen wurde.
Der Niedergang des Arraks
Wie aber kommt es, dass heute zumindest in unseren Breitengeraden kaum noch jemand Arrak kennt bzw. trinkt? Ein wichtiger Faktor waren Schutzzölle, die um das Jahr 1800 herum auf alle Import-Spirituosen aus dem Fernen Osten erhoben wurden. Die eigene Produktion, insbesondere von Gin, wurde so maßgeblich unterstützt. Aber auch der Import von Rum aus der Karibik nahm zu.
Möglich, dass sich auch der Geschmack der Europäer verändert hat. Spirituosen waren schon immer auch der jeweils geltenden Mode unterlegen. Zwar enthalten auch neuere Cocktailbücher vom Ende des 19. Jahrhunderts noch Punsch-Rezepte. Aber sie stehen neben vielen Rezepten für neue klassische Rum und Whiskey-Cocktails. Gut möglich, dass die Zeitgenossen einen “Old-fashioned” dem noch viel älteren Punsch vorzogen.
Und noch eine weitere Erfindung setzte dem Punsch und damit auch dem Arrak zu: Im Jahr 1876 erfand Carl von Linde die Kältemaschine, die es ermöglichte, Eis nicht nur wie zuvor in tiefen Kellern aufzubewahren, sondern überall verfügbar zu machen. Klar, dass eisgekühlte Cocktails bald der letzte Schrei waren und kaum noch jemand für Punsch zu erwärmen war.
Nach Ende des zweiten Weltkriegs war der Arrak schließlich fast vollständig aus Europa verschwunden. Andere Spirituosen, vor allem Whisky, Bourbon, Rum und Gin hatten ihn vollständig ersetzt. Während in den Produktionsländern Indonesien, Sri Lanka und den Philippinen immer noch Arrak getrunken wird, fristet er hierzulande ein Schattendasein in den Spirituosenregalen von einigen wenigen Kennern.
Es gibt ihn wieder: Neuer Arrak aus Deutschland
Es gehört also schon einiger Mut dazu, ausgerechnet einen Arrak neu auf den Markt zu bringen. Denn um den Ruf der Palm-Spirituose steht es nicht zum Besten: Minderwertige Qualitäten haben das ohnehin angeschlagene Image des Arraks weiter ramponiert. Arrak ist für viele Menschen gleichbedeutend mit einer Spirituose, die man allenfalls zum Backen verwendet.
Und so erstaunt es doch ein wenig, dass ausgerechnet ein Deutscher den Arrak als hochwertige Spirituose wieder ins Bewusstsein von Genießern bringen möchte. Stephan Rabich stellt mit seiner Firma Palms GmbH einen traditionellen Arrak aus reinem Palmwein her.
Im Jahr 2010 unternahm er in Sri Lanka erste Versuche mit einer Kokospalmplantage. 300 Palmen lieferten ihren Saft für einen Palmwein, der anschließend destilliert wurde. Nach dem Brennen des Arraks folgte die Reifung in Halmillafässern. Das Experiment gelang und der Palms Arrak war geboren.
Mittlerweile ist Rabich in mehreren Ländern aktiv: Ein Palm-Projekt in Kambodscha ist gestartet, auch in Nigeria soll lokaler Palmwein und später Arrak in hoher Qualität hergestellt werden. Wichtig ist der Firma dabei die Kooperation mit lokalen Partnern, welche jahrzehntelange Erfahrung mit Palmplantagen haben. Sie profitieren nun vom deutschen Know-How und dem Zugang zu internationalen Märkten.
Bei der geplanten Renaissance des Arraks soll ein uralter Drink helfen, der im 17. Jahrhundert große Erfolge in Europa feierte: Der heiße Punsch. Dabei handelt es sich im traditionellen Sinne um einen Aufguss aus 5 Zutaten: Arrak, heißes Wasser, Zucker, Zitrone & schwarzer Tee. Aber natürlich können auch Gewürze und andere Botanicals genutzt werden.
Hier ein Rezept als Beispiel:
Doch auch Cocktails lassen sich mit Arrak mixen. Sogar für den oben erwähnten Old Fashioned gibt es eine Variante mit Arrak.
Der Palms Arrak ist ausgeprägt süß und fein-würzig
Drei Jahre lagerte der erste Palms Arrak im Holzfass, bevor er in Flaschen abgefüllt wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zäh und ölig verläuft die Spirituose im Nosing-Glas, zieht lange Schlieren am Glasrand.
Der Geruch ist ausgeprägt süß und erinnert an einen reifen Rum, aber mit ganz eigenen, pflanzlich wirkenden Nuancen. Sie rühren vermutlich unmittelbar von der Palme her, aus welcher der Saft für diesen Arrak gewonnen wurde.
Der Geschmack des Palms Arrak ist ausgeprägt süß, mit fein-würziger Note, die mich spontan an Muskatnuss, weißen Pfeffer und Basilikum erinnert hat. Der Palms Arrak steht in seiner Qualität vielen Premium-Rums aus der Karibik in nichts nach. Wir sind gespannt, ob der vergessene und oft verkannte Arrak bald den Weg zurück in die Bars und die Spirituosen-Regale findet.