Mit dem Begriff “Frontier Whiskey” wird schon auf dem Etikett des Bulleit Rye deutlich, wohin die Reise geht: In den Wilden Westen. Der Begriff des “Frontier” ist eng mit der Besiedlung Nordamerikas verknüpft. Im 18 und 19. Jahrhundert war nur ein schmaler Streifen an der Ostküste der heutigen USA besiedelt. Wer Richtung Westen reiste, kam schnell ins “Frontier” genannte Grenzland. Dahinter lag die Wildnis bzw. von Indianern bewohntes Land.
Die Eroberung des Westens kam nur stückweise voran, erst der Kauf von großen Landesteilen westlich des Mississipi (Louisana Purchase von 1803) und die Expedition von Lewis und Clark (1804 bis 1806), die den Landweg zum Pazifik erkundeten, sorgten für ein rascheres Voranschreiten. Ab dann war es nur noch eine Frage der Zeit bis alle Landesteile erschlossen waren – und die Frontier als Grenzzone zum “Wilden” Westen zur Geschichte wurde.
Bulleit Rye: Ein Whiskey wie in alten Zeiten?
Die Bulleit-Brennerei verknüpft mit dem Frontier-Begriff aber auch das Versprechen, einen Whiskey herzustellen, der so schmeckt wie früher. Und woraus brannten die ersten Siedler ihren Schnaps? Natürlich aus Roggen. Und so beträgt der Roggenanteil beim Bulleit Rye immerhin 95 % (vorgeschrieben sind mindestens 51 %). Bei der Lagerzeit hält sich die Destillerie bedeckt, sie soll aber 5-8 Jahre in neuen Eichenholzfässern betragen. Das wäre schon mal länger als bei dem meisten Whiskey im Wilden Westen, der häufig fast ohne Lagerung direkt ausgeschenkt wurde und selten eine besonders reine Qualität gehabt haben dürfte.
Craft-Image und Großbrennerei
Das erste Batch wurde nach Firmengründer Tom Bulleit von seinem Vorfahren Augustus Bulleit um das Jahr 1830 herum gebrannt. Bis 1860 soll es eine laufende Whiskey-Produktion gegeben haben. Ob das heutige Rezept sich an den Ursprüngen orientiert ist zumindest fraglich – so soll beim Bulleit Bourbon zumindest ein anderes Mischverhältnis von Roggen und Mais verwendet werden. Auch haben sich die Filtrationstechniken natürlich weiterentwickelt und die Regularien für die Produktion sind strenger geworden als zu Frontier-Zeiten. Bulleit Rye wird in der ziemlich unsexy aussehenden Großbrennerei von Midwest Grain Products (MGP) in Indiana hergestellt. Wie Serious Eats aufdeckt, werden auch noch eine ganze Reihe anderer Rye-Marken hergestellt.
Da ein solcher Industriebetrieb natürlich zum Craft-Distiller-Image passt wie die obligatorische Faust aufs Auge in Bud Spencer und Terrence Hill-Filmen, eröffnete Bulleit sein neues Besucherzentrum 2014 aber kurzerhand in Kentucky. Im Ort Shively gab es wirklich mal eine Brennerei namens Stitzel-Weller, deren Gebäude jetzt umgestaltet wurden. Eine integrierte Mikrodestillerie soll für das nötige Handmade-Flair und als Teil des Kentucky-Bourbon-Trails kommen sicher auch genug Besucher vorbei.
Was bleibt ist neben einer hübschen Flasche und einer schönen Marketinggeschichte ein Rye Whiskey mit außergewöhnlich hohem Roggenanteil. Und auf den freuen sich unsere staubigen Kehlen nach einem langen Ritt durch die Geschichtswüste natürlich umso mehr.
Auch zwei Bourbons gibt es von Bulleit
Das Angebot von Bulleit ist überschaubar: Neben dem Bulleit Rye, den wir in wenigen Momenten verkosten werden, gibt es noch den Bulleit Bourbon mit orangefarbener Banderole und den Bulleit 10 Jahre (ebenfalls ein Bourbon). Das Age-Statement ist ungewöhnlich in einer Zeit, in der viele Destillerien in den USA dazu übergegangen sind, statt Altersangabe lieber unverfängliche Begriffe wie “Patiently aged” auf ihre Flaschen zu schreiben. Die Zahl 95 auf der Bulleit Rye-Flasche ist aber natürlich keine Altersangabe, sondern steht für den Anteil von Roggen in der Mashbill: Dieser beträgt stolze 95 %.
Unser Tasting des Bulleit Rye Whiskey
Wie riecht er?
Ein süßer und zugleich würziger Duft durchzieht den Bulleit Rye Whiskey. Wir riechen Karamell, Aprikosen in Vanillecreme und frisch gekochtes Apfelmus. Der Mittelteil ist von kräuterigen Aromen geprägt. Wir denken an Estragon, Thymian und trockenes Gras. Auch etwas Roggen-Sauerteig ist mit dabei. Der Abgang des Bulleit Rye ist würzig-pfeffrig mit gerösteten Haselnüssen, markanten Eichenholznoten und einer Spur Schießpulver.
Wie schmeckt er?
Der Bulleit Rye eröffnet das Tasting würzig und kraftvoll, das Mundgefühl ist trocken. Die Aromen wechseln zwischen süß, kräuterig und würzig. Wir schmecken Karamell, Rosinen und Mandelpudding. Dann geben Kräuter wie Estragon und Thymian den Ton an. Nach hinten wird der Bulleit Rye zunehmend würziger mit verbranntem Pfeffer, kohligen Noten und viel trockenem Eichenholz.
Aktualisiert am 1.06.2023 um 02:43 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API