Nach dem unsere Tour bei Aberlour zur Mittagszeit bereits zu Ende war, entschieden wir uns spontan auf dem Malt Whisky Trail durch den Wald nach Dufftown zu wandern. Für den rund vier Meilen langen Weg braucht man etwa 1,5 Stunden. In Dufftown steht die bekannte Glenfiddich-Destillerie, welche eine kostenlose Führung mit Tasting versprach.

Die Glenfiddich Distillery wurde im Jahr 1886 von William Grant in Dufftown gegründet. Größere Bekanntheit erlangte sie mit der „Erfindung“ des Single Malts im Jahr 1963. Als eine der ersten Brennereien eröffnete sie kurze Zeit später ein Besucherzentrum. Glenfiddich ist aktuell der meistverkaufte Single Malt der Welt. Die Destillerie befindet sich bis heute ununterbrochen im Besitz der Familie Grant.
Viel Pathos statt ehrlicher Worte
Auf diese lange Familientradition wird dann auch gleich zu Beginn der Führung in einem pathosgeladenen Werbefilm eingehend hingewiesen: Der Regen prasselt in Strömen, während William Grant persönlich Stein auf Stein setzt, um die Destillerie aus dem Brachland zu stampfen. 750.000 Steine – und alle hat der Chef persönlich eingesetzt. Und natürlich wird heute noch so produziert wie vor über hundert Jahren. Was im Film nicht vorkommt, ist die Tatsache, dass Glenfiddich als Großbrennerei jedes Jahr mal eben 13 Mio. Liter Whisky produziert. Zum Vergleich: Eine mittelgroße Destillerie wie zum Beispiel Aberfeldy oder Aberlour schafft zwischen zwei und drei Millionen Liter. Wir haben es hier also mit einem industriellen Großbetrieb zu tun. Und das finden wir auch nicht schlimm – wenn man offen dazu steht.

Alles zwei Nummern größer
Bei der Führung bekommt man schnell mit, dass hier alles ein oder zwei Nummern größer ist: 24 hölzerne Washbacks, 10 Washstills und 18 Spiritstills sind eine Dimension, von der andere Destillerien nur träumen können. Nicht zu vergessen die 45 Lagerhäuser, in welchen der Whisky vor Ort gelagert wird. Wenn dann in der Führung ein Loblied auf die traditionelle Herstellung gesungen wird und der Führer auf Nachfrage ernsthaft erklärt, dass alles werde ohne Computer gesteuert, dann fühlt man sich schon etwas verschaukelt. Erst als wir erstaunt nachhaken, räumt er ein, dass es doch ein paar Computer gebe, die aber natürlich von Menschen gesteuert würden.

Glenfiddich: Führung im Schnelldurchlauf
Überhaupt der Führer: Er ist Portugiese, vielleicht Anfang 20 und man hat ihn in einen Schottenrock gesteckt. Irgendwie tut er mir leid: Er hetzt von Station zu Station und versucht unserer Großgruppe mit ca. 30 Personen zu erklären, wie man Whisky macht. Klar, dass da die Details auf der Strecke bleiben und alles recht oberflächlich angesprochen wird. Hinzu kommen Stories, die doch ein wenig an eine Marketing-Märchenstunde erinnern: So soll angeblich die Art der Beheizung der Brennblasen (diese erfolgt bei Glenfiddich, aber auch bei Glenfarclas noch direkt durch eine Gasflamme) später einen Einfluss auf den Geschmack des Whiskys haben. Wer es glaubt…
Doch wir haben immerhin Glück: Eine “Silent Season” steht bevor und so dürfen wir in Bereichen fotografieren, in denen dies sonst verboten ist. Im Show-Warehouse dürfen wir dann an verschiedenen Fässern schnuppern und die Unterschiede zwischen Whisky im Sherry-Cask und Bourbon-Barrel herausriechen. Ein kurzer interaktiver Moment in einer Tour, die insgesamt ziemlich schnell heruntergerissen wirkt.

Schmale Verkostung
Zum Glück wird am Ende der Tour jeweils ein (sehr kleiner) Dram vom 12, 15 und 18 Jahre alten Glenfiddich ausgeschenkt. Leider wird man beim Tasting sehr gehetzt und noch dazu erklärt unser Guide die ganze Zeit laut, was man gerade riechen oder schmecken soll. Doch wir lassen uns davon nicht beirren und deshalb kommen hier unsere ganz persönlichen Verkostungsnotizen.
Die wichtigsten Whiskys von Glenfiddich
Glenfiddich 12 Jahre
Der Glenfiddich 12 Jahre ist so etwas wie ein Klassiker und auch für uns ein alter Bekannter. Wir riechen fruchtige Aromen wie Apfel oder grüne Birne. Auf der Zunge vereinen sich dann leichte Eichenaromen mit den bereits zu riechenden Früchten. Insgesamt ein nicht sehr komplexer Whisky, der jedoch für Einsteiger durchaus geeignet ist.
Glenfiddich 15 Jahre
Gibt man dem Glenfiddich drei Jahre mehr Reifezeit im Fass so tut sich in Sachen Komplexität schon etwas mehr. In diesem Whisky vereinen sich Single Malts, die in Sherry-, Bourbon- und neuen Eichenfässern gelagert wurden. Sie werden in einer Art Solera-System vermählt. Beim Nosing ist deutlich die Sherrynote erkennbar: Orange, Honig und Rosine geben sich die Klinke in die Hand. Der Geschmack ist ebenfalls geprägt vom Sherryfass. Leider finden die Duftstoffe nicht den Weg in den Mund: Nicht sehr fruchtig und wenig voll klingt der Glenfiddich 15 Jahre aus, allenfalls etwas Rosine lässt sich erahnen. Angesichts des gehobenen Alters fanden wir den Whisky doch etwas enttäuschend. Geht beim 18-jährigen mehr?
Glenfiddich 18 Jahre
Der Geruch wird nun süßer, dieser Malt duftet nach weihnachtlichem Gebäck und alten Holzmöbeln. Auch Karamellbonbons lassen sich assoziieren. Leider bleibt auch hier das ganz große Geschmacksfeuerwerk aus: Der Glenfiddich 18 Jahre erreicht schnell seinen Höhepunkt und flacht dann nach hinten hin leider stark ab. Wir schmecken Vanille und einen Hauch Zimt. Vom versprochenen Bratapfel können wir in unserer Probe hingegen nichts entdecken. Auch dieser Malt lässt sich unkompliziert trinken, wirkt aber nicht besonders komplex.
Und vielleicht ist das auch das eigentliche Geheimnis von Glenfiddich: Einen Single Malt zu entwickeln, der möglichst vielen Menschen schmeckt, ohne sie zu überfordern. Schlagendes Argument bei allen drei Abfüllungen ist natürlich der Preis. Gleich alte Whiskys anderer Destillerien kosten häufig mehr.
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Aktualisiert am 1.06.2023 um 04:29 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API