Glenfiddich Project XX: Stimmiger Whisky oder wilde Mischung?
Nun kann man durchaus Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines solchen Versuchs haben: “Viele Köche verderben den Brei”, kam mir spontan in den Sinn. Denn so verschieden wie die gelagerten Whiskys im Warehouse sind ja auch die Geschmäcker. Der eine steht vielleicht total auf süße, florale Noten, der nächste möchte unbedingt den Geschmack von roten Beeren in der Mischung haben und der letzte vielleicht einen rauchigen Charakter verewigt wissen. Aus 20 Meinungen einen stimmigen Whisky zu generieren, das klingt schon nach einer ziemlichen Mammutaufgabe. Der Glenfiddich Project XX ist also ein mutiges Experiment!
Und natürlich ist immer die Frage, wie sehr man den Brand Ambassadors einer Marke vertrauen möchte. Viele Markenbotschafter machen ihren Job sicher ganz ausgezeichnet und ich kenne selbst einige, die absolut Feuer und Flamme für “ihren” Whisky sind – aber einige Botschafter sind halt auch dicht am Vertrieb angesiedelt. Sie können den Whisky gut präsentieren und verkaufen, sind aber nicht unbedingt die, die am meisten Ahnung davon haben. Das kann aber natürlich auch einfach nur meine persönliche Erfahrung sein und sicher sind die Glenfiddich Ambassadors sehr qualifiziert und haben einen vorzüglichen Whiskygeschmack. Aber so ein bisschen habe ich mich schon gefragt, wie aus dieser Konstellation jetzt ein guter Whisky werden soll.
Master Blender Brian Kinsman vermählte die Malts zum Project XX
Zum Glück waren die 20 Whisky-Botschafter aber auch gar nicht alleine im Warehouse, sondern hatten kundige Unterstützung in Form von Glenfiddich Master Blender Brian Kinsman. Und so kam eine Mehrzahl der Whiskys aus Ex-Bourbon-Fässern, dazu einige Sherry-Butts und ein Portwein-Fass.
Brian Kinsman hat den während des Experiments entstandenen Whisky hinterher nachkonstruiert, da 20 Fässer natürlich unmöglich ausreichen, um den weltweiten Bedarf an Glenfiddich Project XX zu decken. Und ich gehe auch davon aus, dass er darauf geachtet hat, dass nicht zum Beispiel einfach zehn Malts mit 30 Jahren mit zehn 40-jährigen gemischt wurden, was ein ziemlich teurer Spaß für das Unternehmen geworden wäre.
Mit 50-60 Euro pro Flasche ist der Glenfiddich Project XX in jedem Fall sehr bezahlbar – es ist aber eben auch nicht ganz klar, wie alt die enthaltenen Malts nun sind – es ist ein NAS-Whisky.

Die Experimental Series von Glenfiddich soll Millennials für Whisky begeistern
Der Glenfiddich Project XX erscheint zusammen mit dem Glenfiddich IPA (Finish in Bierfässern) in der Experimental Series der Destillerie. Mittlerweile wurde die Reihe um den Glenfiddich Fire & Cane und den Glenfiddich Winter Storm mit 21 Jahren Reifezeit (und Finish in Eisweinfässern) ergänzt. Mit dieser sollen vor allem die Millennials angesprochen werden, also junge Männer der Jahrgänge 1980 bis 1999, die nun im perfekten Alter ist, um mit gutem Whisky anzufangen. Erkennbar ist dies zum einen am Verzicht auf ein Age Statement (frei nach der Prämisse: Der Geschmack soll gut sein, das Alter ist egal), zum anderen am modernen Flaschendesign, welches überaus elegant und wertig daherkommt.
Der charakteristische Hirschkopf darf auch beim Glenfiddich Project XX nicht fehlen, wird aber mit Schwung in einem Kupferton auf den Flaschenhals gezeichnet und um einen Fingerabdruck ergänzt. Der Legende nach braucht man diesen Fingerabdruck, um in die hochgeheimen Warehouses von Glenfiddich zu gelangen…ne Quatsch, das habe ich mir gerade ausgedacht. Aber spannend wäre es schon zu wissen, wessen Fingerabdruck das eigentlich ist und was er zu bedeuten hat. In jedem Fall wirkt das Design der neuen Whiskys auf mich sehr wertig.
Ein anderer Ansatz als bei Whiskey Union
Die Glenfiddich Experimental Series verfolgt bei gleicher Zielgruppe dennoch einen anderen Ansatz als etwa die Whiskey Union von Diageo. Letztere weicht mit ihren Experimenten die Grenzen von Scotch Whisky ziemlich auf – man denke an den Boxing Hares, der Zucker und Hopfenaroma enthält oder an den Huxley, eine Mischung aus Scotch, Canadian und American Whiskey. Bei Glenfiddich ist trotz des Blendings der verschiedenen Whiskys weiterhin ein reinrassiger Scotch Single Malt Whisky in der Flasche, es wurde nichts hinzugefügt. Das erscheint mir der wesentlich schlüssigere Ansatz, denn wenn ich als Millennial einen Whisky trinken möchte, dann möchte ich natürlich eine sehr gute Qualität genießen und nicht irgendeine wilde Mischung aus verschiedenen Destillaten. Ein Age-Statement wäre natürlich noch schön gewesen, aber man kann halt nicht alles haben.

Unser Tasting des Glenfiddich Project XX
Wie riecht er?
Ein weicher Einstieg mit Gras und Heu, dann folgen Blutorangen, Aprikosen, Datteln und Rosinen. Üppiger Honig und Walnüsse auf Quark mit frisch geröstetem Müsli. Dann gebrannte Mandeln und ein Hauch gebratene Banane. Eine feine Würzigkeit zieht sich durch den Geruch, wird mit der Zeit immer intensiver. Der Project XX vereint klassische Noten der Speyside in sich.
Wie schmeckt er?
Der neue Glenfiddich ist ausgesprochen weich, fast seidig vom Mundgefühl. Geschmacklich gehen Blutorangen und Orangenschalen mit Vanille und Karamell eine süß-herbe Affäre ein. (Die sollen sich mal nicht erwischen lassen, die frechen Früchtchen!) Rosinen treffen auf Haselnüsse. Ein bisschen wie Vollmilchschokolade Traube-Nuss, nur ohne den Rum. Der Abgang kitzelt etwas und offenbart harzige Einsprenkler, das Holz ist dezent präsent. Auch bei diesem Whisky hat es sich gelohnt, nach dem Einschenken ins Nosing-Glas etwas mit der Verkostung zu warten. Vor allem die würzigen, trockenen und holzigen Noten, die den Abgang des Glenfiddich Project XX prägen, kamen erst nach kurzer Wartezeit zum Vorschein.
Aktualisiert am 11.12.2023 um 17:04 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API