Aus den Resten der Weinproduktion wird Grappa (Foto: Bianca Isofache / Unsplash)
Ein italienisch-mediterranen Essen ohne einen Grappa zum Abschluss? Kaum vorstellbar! Wie kaum ein anderer Digestif lässt Grappa in einem großen Finale alle Aromen der abwechslungsreichen italienischen Küche noch einmal Revue passieren – uns sorgt für einen runden Abschluss. Nicht nur deshalb gehört Grappa zu den beliebtesten Spirituosen aus “Bella Italia”. Ein hochwertiger Grappa sollte in keiner privaten Minibar fehlen! Doch was ist eigentlich ein Grappa? Wie und wo darf er hergestellt werden, woran erkenne ich guten Grappa – und wie trinke ich ihn am besten? Unser Grappa-Guide bringt euch den italienischen Tresterbrand näher.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Grappa?
- Eine kurze Geschichte des Tresterbrandes
- Die wichtigsten Grappa-Regionen in Italien
- Die gesetzlichen Vorgaben für Grappa
- Aus welchen Rebsorten wird Grappa hergestellt?
- Die Herstellung von Grappa einfach erklärt
- Der schlechte Ruf des Grappas – was ist dran?
- Woran erkenne ich einen guten Grappa?
- Die 10 wichtigsten Grappa-Stile und Reifestufen
- Grappa richtig trinken und das “Dolce Vita” erleben
Was ist Grappa?
Grappa ist ein so genannter Tresterbrand und wird aus den Traubenschalen, dem Fruchtfleisch und den Kernen ausgepresster Weintrauben hergestellt. Der Name „Grappa“ leitet sich von dem italienischen Wort für Traube (‚grappolo‘) ab und bezeichnet Destillate, die ausschließlich aus Trester gewonnen werden. Echter Grappa muss aus Italien oder der italienisch-sprachigen Schweiz stammen. Die meisten Grappas werden jung abgefüllt, es gibt aber auch Varianten, die im Holzfass gereift wurden.
Eine kurze Geschichte des Tresterbrandes
Es gibt einige, sich jedoch widersprechende Quellen, nach denen Grappa bereits im 5. Jahrhundert hergestellt wurde. Sicher datiert und urkundlich belegbar ist, dass es im 15. Jahrhundert eine nachweisbare Produktion und einen Export von Grappa aus Italien in die Nachbarländer gab. Neben Armagnac und Cognac zählt Grappa demnach zu den traditionsreichsten und ältesten Spirituosen weltweit. Wie bei allen Spirituosen gab es Höhen und Tiefen und sind Produkte aus früheren Jahrhunderten nicht vergleichbar mit dem, was wir heute genießen.
Für den modernen Grappa waren die 1960er Jahre besonders prägend: In dieser Zeit begann Giannola Nonino in ihrer Destillerie einen Grappa aus Trester von nur einer Rebsorte zu brennen. Zuvor war der Trester immer wild aus allen möglichen Sorten gemischt gewesen, es wurde gebrannt was gerade da war. Jetzt gab es sortenreine Grappas und die Familie Nonino wurde zu einem der bekanntesten Grappa-Hersteller Italiens.
Und noch eine Jahreszahl ist von großer Bedeutung für den Grappa: 1989 wurde in einer EU-Verordnung festgelegt, dass nur in Italien aus Trester hergestellte Spirituosen den Namen Grappa tragen dürfen. Seit 2002 dürfen Grappe auch aus den italienisch-sprachigen Gebieten der Schweiz stammen. Ein nach identischer Methode und auf gleicher Basis hergestellter Brand aus Deutschland darf demnach nicht mehr Grappa genannt werden, sondern heißt ganz technisch Tresterbrand. Selbige sind auch unter Begriffen wie Grappolo, Grapinot oder Grapagnac auf dem Markt. Der Fantasie sind bei der Benennung dieser nicht-italienischen Grappa-Varianten keine Grenzen gesetzt.
Heute stellen über 130 Grappa-Hersteller eine Vielzahl an Destillaten in den unterschiedlichsten Qualitäten her. Hinzu kommen unzählige Abfüller und Händler, welche Grappa von Destillateuren erwerben, um sie dann unter eigenem Namen zu verkaufen. Die Welt des Grappas ist unübersichtlich – aber einen Ankerpunkt ist dennoch allen Destillaten gemein: Sie müssen in Italien gebrannt worden sein.
Die wichtigsten Grappa-Regionen in Italien
Obwohl Grappa wie schon erwähnt in ganz Italien hergestellt werden darf, hat das Brennen der Spirituose dennoch in einigen Regionen mehr Tradition und sind die Tresterbrände häufiger anzutreffen. Im Zuge der EU-Regulierung wurden zunächst sechs Regionen Piemont (inklusive der Stadt Barolo), Lombardei, Trentino, Venetien, Südtirol, Friuli Venezia-Giulia anerkannt. Inzwischen ist die Insel Sizilien inklusive der Stadt Marsala an der Westküste dazugekommen.
Die Grappa-Herkunft auf der Flasche
Häufig wird die Herkunft des Grappas auf der Flasche in Italienisch angegeben. So findet man die folgenden Begriffe besonders häufig auf den Etiketten (in Klammern jeweils die deutsche Regionsbezeichnung):
- Grappa del Piemonte (Piemont)
- Grappa di Barolo (Stadt Barolo im Piemont)
- Grappa dell’Alto Adige (Südtirol)
- Grappa del Trentino (Trentino in Südtirol)
- Grappa del Veneto (Venetien)
- Grappa del Friuli (Friuli Venezia-Giulia)
- Grappa di Sicilia (Sizilien)
- Grappa di Marsala (Stadt Marsala auf Sizilien)
Wird eine dieser geografischen Bezeichnungen auf der Flasche genannt, kann man sich sicher sein, dass die verwendeten Trauben bzw. der Trester auch aus dieser Region stammen. Grappa aus den genannten Gegenden muss mindestens 40 % Alkohol haben, in anderen Regionen sind auch Grappe mit 37,5 % Alkoholgehalt zulässig.
Die gesetzlichen Vorgaben für Grappa
Neben der Tatsache, dass Grappa alleine aus Italien bzw. auch aus den italienisch geprägten Gebieten der Schweiz stammen darf, gibt es weitere gesetzliche Vorgaben, die darüber entscheiden, wann ein Grappa ein Grappa ist. So muss Grappa durch eine unmittelbare und direkte Destillation des Tresters gewonnen werden. Nicht zulässig ist das bei anderen Tresterbränden durchaus übliche Vorgehen, die ausgepressten Traubenschalen auszulaugen, um einen Grundwein zu gewinnen, der dann in einem zweiten Schritt destilliert wird. Auch die Zugabe von Wasser zum Trester im Vorfeld der Destillation ist nicht gestattet. Der vorgeschriebene Mindest-Alkoholgehalt liegt bei 37,5 Prozent. Die meisten Grappe weisen eine Alkoholgehalt zwischen 40 und 50 % auf. Geschmacksprägend ist auch der extrem niedrige Zuckergehalt, der in aller Regel bei zwei Prozent liegt. Es dürfen dem Grappa weder Farb- noch Aromastoffe hinzugefügt werden.
Aus welchen Rebsorten wird Grappa hergestellt?
Es können verschiedene Weiß- oder Rotweinsorten verwendet werden. Zu den meistverwendeten gehören neben dem bei uns eher unbekannten aber hocharomatischen Brachetto del Piemonte auch Chardonnay, Gewürztraminer, Nebbiolo und Merlot. Da die meisten Brennereien mit ihren Grappa-Erzeugnissen ihren ganz eigenen, wieder erkennbaren Stil umsetzen wollen, sind ganz ähnlich wie beim Cognac zahlreiche Grappe eigentlich Cuvées verschiedener Rebsorten. Dies ermöglicht es den Destillerien die markanten Jahrgangsunterschiede, welche beim Wein auftreten und dort gewünscht sind, auszugleichen und Spirituosen von weitgehend konstanter Qualität und hoher Wiedererkennbarkeit zu erzeugen. Natürlich gibt es auch reinsortige Grappe, die zwar etwas seltener sind, aber nicht zuletzt deshalb über eine überzeugte Anhängerschaft verfügen.
Die Herstellung von Grappa einfach erklärt
Allerdings muss man sich natürlich vor Augen halten, dass für die Grappa-Produktion letztlich die Überbleibsel der Wein-Herstellung verwendet werden und sich aus Schalen, Stielen und Kernen nicht so viel destillierbare Rohstoffe gewinnen lassen. Doch wie genau wird aus dem Trester ein Grappa? Traditionell wird der Trester in riesigen Betongefäßen oder Stahltanks gelagert, in denen bis zu 300 Tonnen Trester Platz finden. Eine Filteranlage sorgt dafür, dass größere Äste und auch die Stiele vor dem Brennen entfernt werden.
Um Grappa herzustellen, muss der Trester vor der Destillation zunächst vergoren werden. Dies geschieht entweder ganz natürlich aufgrund der trestereigenen Hefestämme oder durch bewusste Zugabe von Vergärungshefen. Rote Trauben haben üblicherweise bereits einen Alkoholgehalt von rund 4 % und müssen anders als weiße Trauben (rund 2,5 % Alkohol) vor dem Brennen nicht weiter vergoren werden.
Die eigentliche Destillation kann entweder als Batch-Destillation in einer Alembic (sieht aus wie ein großer Kochtopf aus Stahl) oder in einer Säulendestillationsanlage passieren. Erstere wird gerne von handwerklich arbeitenden Betrieben eingesetzt und erfordert mehr Pflege, sorgt aber auch für einen aromareicheren Brand. Letztere kommt vor allem in industriell arbeitenden Grappa-Brennereien zum Einsatz. Sie ermöglicht den kontinuierlichen Betrieb praktisch ohne Pausen, dieses Verfahren sorgt für mehr Ausstoß, allerdings auch für weniger Aromen im Grappa. Einige Brennereien wie der Grappa-Hersteller Nardini verwenden sowohl Alembics, als auch Column Stills (Säulendestillationsanlagen) und mischen am Ende beide Destillate.
Während des Brennens wird der vergorene Trester erhitzt, sodass die daraus entstehenden Dämpfe kondensieren. Im ersten Durchlauf entsteht ein Rohalkohol mit 15-20 Volumenprozent. Bei der zweiten Destillation wird der Alkohol weiter verdichtet und führt zur Herstellung des Grappa mit 80-85 % Alkohol.
Jeder Grappa muss nun für mindestens sechs Monate ruhen. Hierfür wird er entweder in Stahltanks gefüllt oder alternativ in Holzfässer. Die Fässer dürfen wie bei Scotch Whisky aus Eiche sein, aber auch Casks aus Akazie, Kirsche, Esche und anderem Holz sind erlaubt und werden verwendet. Durch die Reifung in Holzfässern für längere Zeit werden die rauen Kanten des Alkohols abgeschliffen, der Grappa erhält eine schöne goldene Farbe und gewinnt trockene, holzige Aromen aus den Fässern dazu.
In Stahltanks gelagerte Grappa reifen praktisch nicht weiter, sie weisen den puristischen Stil auf, wie ihn das Destillat nach dem Brennen hat. Je nach Qualität des Brandes kann ein solcher Grappa auch scharf sein und brennen.
Der schlechte Ruf des Grappas – was ist dran?
Hört man sich im Freundes- und Bekanntenkreis um, dann kann fast jeder eine Geschichte von ganz furchtbar schmeckendem Grappa erzählen. Viele Grappas werden in italienischen Lokalen ausgeschenkt und was dort als Zugabe des Hauses zusammen mit der Rechnung auf den Tisch kommt, ist häufig nicht der beste Grappa, sondern schlicht und einfach der billigste. Im schlimmsten Fall ist das ein scharf brennender Schnaps, der eher an Nagellackentferner, als an ein genießbares Getränk erinnert.
Hinzu kommt, dass Grappa für viele Winzer jahrzehntelang nur ein Nebenprodukt der Weinproduktion war. Mit der Destillation ausgepresster Trauben konnten die Überbleibsel der Vinifikation bequem weiterverwertet werden. Gebrannt wurde teilweise nur für den Eigenbedarf, aber auch um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Transportable Brennblasen wurden von Ort zu Ort gefahren und erlaubten es den Weinbauern, ihren Trester direkt vor Ort in Grappa zu verwandeln. Heute sind die meisten Destillerien fest installiert und es wächst das Verständnis für die Qualität der Spirituose.
Schlechten Grappa aus großangelegter Massenproduktion wird es immer geben, aber es gibt auch zahlreiche kleine Brennereien, die aus guten Trauben und mit handwerklichen Methoden Destillate herstellen, welche von exzellenter Qualität sind.
Woran erkenne ich einen guten Grappa?
Egal, ob ein junger oder im Holzfass gereifter Grappa ausgewählt wird, gibt es unabhängig vom individuellen Geschmack objektive Hinweise auf die Güte des jeweiligen Grappas: Die besten Qualitäten werden aus den Trestern von Rotweintrauben gewonnen. Dass diese Grappe seltener und teurer sind als jene, die aus Weißweintrauben gewonnen werden, ist die logische Schlussfolgerung.
Ein Grappa, der ganz klar und transparent ist, wurde in Glas- oder Stahltanks gelagert. Weist ein Grappa eine Färbung auf, dann wurde er häufig im Holzfass gelagert. Egal, ob im Stahl oder in Holz: Ein Grappa muss mindestens sechs Monate nach der Destillation lagern, bevor er abgefüllt wird.
Reift ein mindestens sechs Monate im Holzfass gelagerter Grappa für weitere sechs Monate luftdicht verschlossen, so darf er die Zusatzbezeichnungen Invecchiata, Riserva oder Stravecchia auf dem Etikett tragen.
Generell gilt: Je länger ein Grappa im Holzfass reifen durfte, umso mehr Zeit haben die Inhaltsstoffe, sich harmonisch miteinander zu verbinden. Der Grappa wirkt so eleganter, gleichzeitig aromatischer, kräftiger und länger anhaltend. In der folgenden Liste wollen wir einen Überblick über die verschiedenen Reifegrade von italienischem Grappa geben.
Die 10 wichtigsten Grappa-Stile und Reifestufen
- Grappa Giovane (jung): Ein ungereifter* Grappa, der seine Aromen nur aus dem Trester, der Fermentation und der Destillation bezieht.
- Grappa Giovane Aromatico (jung, aromatisch): Ein ungereifter* Grappa, der aus aromatischen Trauben wie Moskatel, Müller-Thurgau, Traminer, Sauvignon o.ä. hergestellt wurde und deshalb intensiver schmecken soll.
- Grappa Affinata in Legno (im Holz ausgebaut): Ein im Holzfass gereifter Grappa, dessen Reifezeit aber so kurz war, dass er nicht als Grappa Vecchia bezeichnet werden darf.
- Grappa Affinata in Legno Aromatica (im Holz ausgebaut, aromatisch): Eine Kombination aus aromatischen Trauben und einer kurzen Reifung im Holzfass.
- Grappa Vecchia oder Invecchiata (im Holz gereift): Ein Grappa, der für mindestens 12 Monate im Holzfass gelagert wurde.
- Grappa Riserva oder Stravecchia (im Holz gereift): Ein Grappa, der für mindestens 18 Monate im Holzfass gelagert wurde.
- Grappa Invecchiata Aromatica (im Holz gereift, aromatisch): Eine Kombination aus aromatischen Trauben und einer mindestens 12-monatigen Reifezeit im Holzfass
- Grappa Aromatizzata (aromatisiert): Nicht zu verwechseln mit einem Aromatica. Beim Grappa Aromaizzata wurden pflanzliche Aromen zugesetzt, etwa Beeren.
- Grappa di vitigno (sortenrein): Ein Grappa, der aus bestimmten auf dem Etikett genannten Traubensorten hergestellt wurde. Für diese Klassifikation müssen mindestens 85 % des Tresters aus den genannten Sorten stammen. Es dürfen zwei Sorten genannt werden, die Reihenfolge der Begriffe bestimmt in diesem Fall ihren Anteil am Trester. Die kleinere Menge darf nicht weniger als 15 % des Rohmaterials betragen.
- Grappa di monovitigno (sortenrein): Ein Grappa aus nur einer auf dem Etikett genannten Traubensorte. Analog zum Grappa di vitigno müssen mindestens 85 % des Tresters aus dieser Traubensorte stammen.
* Diese Grappas wurden sechs Monate in Glasbehältern bzw. Stahltanks gelagert, welche keine Aromen an den Grappa abgegeben haben. Deshalb werden sie auch als “ungereift” bezeichnet.
Grappa richtig trinken und das “Dolce Vita” erleben
Ob ein Grappa solo für sich getrunken oder raffiniert mit bestimmten Gerichten genossen wird, ist oftmals einfach eine individuelle Entscheidung. Erlaubt ist, was schmeckt. Doch ganz sicher erweisen sich hochwertige Grappe auch als kongeniale Begleiter von edlen, lang marinierten Wildgerichten aber auch zu Gemüse- oder Salatsorten, mit denen die meisten Weine nicht zurechtkommen wie beispielsweise Chicoree, Sellerie oder Artischocke.
Natürlich harmoniert Grappa aufs Vortrefflichste auch mit Espresso – legendär ist die italienische Spezialität des caffé coretto. Mindestens ebenso attraktiv ist die Aussicht auf einen gemütlich ausklingenden Abend mit einem feinen Glas Grappa als Digestiv, mit dem sich genussvoll der Tag verabschieden lässt.
Sollte man Grappa warm oder kalt trinken?
Als Grundregel kann man sich merken: Junge und aromatische Grappas sollten gekühlt bei 9-13° Celsius serviert werden. Im Fass gereifter Grappa sollte leicht unter Zimmertemperatur (ca. 15-17° Celsius) ins Glas kommen.
Unabhängig davon, ob der Grappa solo oder zu einem Essen genossen wird, sollte das richtige Glas gewählt werden. Ideal ist das typische tulpenförmige Grappa-Glas. Auch wenn es teilweise gemacht wird, sollte ein Grappa nicht in einem Cognacschwenker, einem Sektglas oder Shotglas serviert werden. Ein Grappa wird zwar durch das verwendete Glas nicht besser oder schlechter – aber die Form des Grappa-Glases gewährleistet die perfekte Aromenausbildung, hilft beim Nosing und Tasting der Spirituose und sorgt dafür, dass ein guter Tresterbrand nicht nur nach einem tollen italienischen Essen zum vollendeten Genuss wird.