Wer auf dem Highway 55 in Tennessee unterwegs ist, würde durch ein verschlafenes Kaff wie Lynchburg vermutlich einfach durchfahren. Und ohne die vielen Schilder mit dem markanten Logo würde man kaum vermuten, dass an diesem Ort eine der größten Destillerien der Welt steht: Jack Daniel‘s. Verschlafen stehen die Produktionshallen und Lagerhäuser im Wald, das Besucherzentrum ist mit seinem Südstaatenlook das auffälligste Gebäude der Whiskey-Brennerei.
Eine “Walking Tour” mit Busfahrt
Die kostenlose Führung durch die Destillerie beginnt mit einem kurzen Werbefilm, der Herstellung und Tradition des Bourbon in den schönsten Farben zeigt. Jack Daniels sei zwar ein Whisky ohne Altersangabe, aber das Können des Brennmeisters gleiche diesen Fakt locker aus…na wenn das mal stimmt! Nach dem Film geht es mit unserem Guide nach draußen. „Das ist eine Walking Tour, ich hoffe ihr seid gut zu Fuß“, sagt er und lotst uns zu einem klimatisierten Kleinbus. Die Amerikaner und das Zu-Fuß-Gehen…
Der Bus fährt uns über das überraschend kleine Fabrikgelände zum Holzlagerplatz. Hier wird unter einem großen Kamin mit Filter die Holzkohle für den Filterprozess hergestellt. Vorbei an alten Feuerwehrautos geht es dann (diesmal tatsächlich zu Fuß) zur unterirdischen Quelle. Ihre Qualität ist entscheidend für die Destillerie – trägt das Wasser doch maßgeblich zum Geschmack des späteren Whiskeys bei. Jack Daniel’s wird übrigens, wie Bourbon-Whiskey zu mindestens 51 % aus Mais hergestellt, welcher mit Roggen, Weizen oder Gerste gemischt wird.
Intensives Erlebnis im Gärhaus von Jack Daniels
Im Gärhaus sind schöne alte Armaturen zu sehen – gesteuert wird die Produktion aber wohl eher von der Person im schicken Schaltraum, der auf einem guten Dutzend Monitore den ganzen Prozess immer im Blick hat. In riesigen Edelstahlbottichen brodelt die Maische, es riecht sehr intensiv nach Getreide und Gärung. Nacheinander dürfen wir uns über den dampfenden Kessel beugen – und zurückzucken! So intensiv, ja stechend, zieht der Geruch in der Nase. Noch Minuten später kann man es spüren. Über schmale Metalltreppen geht es in das Filterhaus. Hier wird das von Jack Daniel’s gern beworbene Kohlefilterverfahren gezeigt. Beim so genannten Charcoal Mellowing sickert der junge Whisky etwa 12 Tage lang durch den mehrere Meter hohen Kohlebehälter. Das Verfahren macht Jack Daniel’s zum Tennessee Whiskey und soll unerwünschte Bestandteile filtern sowie den Whisky besonders mild machen.
Das Fass entscheidet über den Geschmack des Whiskeys
Und natürlich trägt auch die Lagerung im Eichenholzfass zum Geschmack der Spirituose bei. Jack Daniel’s produziert alle seine Fässer selbst – von Hand werden die Streben zusammengesteckt und dann mit einem Ring zusammengezurrt. Die gefüllten Fässer werden dann in hohen Lagerhäusern gestapelt. Das kleinste und älteste Lagerhaus bekommen wir auf der Tour gezeigt, alle anderen sind vermutlich weniger hübsch und stehen rund um Lynchburg im Wald verteilt. Der klassische Jack Daniel’s No. 7 Whiskey wird übrigens aus bis zu 70 Fässern verschnitten. Die etwas edlere Single Barrel-Abfüllung stammt hingegen aus nur einem Fass.
Exklusive Single Barrels für bis zu 12.000 Dollar
Wer es sich leisten kann, darf sich ein eigenes Jack Daniels-Fass aussuchen. Dieses wird vor Ort gelagert und man kann sich je nach Wunsch immer wieder Flaschen daraus abfüllen und zuschicken lassen. Um die 250 Flaschen bekommt man aus einem Fass heraus. Zwischen 9.000 und 12.000 Dollar kostet der exklusive Spaß. Dafür bekommt man aber auch noch eine schicke Plakette an der Wand dazu, welche einen als Eigentümer des Fasses ausweist. Auch einige Namen von großen Unternehmen waren dort zu entdecken – ob diese „ihren“ Whisky als Geschenk für Geschäftspartner oder Führungskräfte abfüllen lassen?
In Lynchburg gibt es nur Limonade statt Whiskey
Nach der Führung gab es leider keinen Whiskey, sondern nur eine Limonade: Und die wurde leider nicht aus dem Quellwasser, sondern aus gechlorten Leitungswasser hergestellt. Brrrrh! Ohnehin liegt Lynchburg in einem trockenen County – der Ausschank von Alkohol ist also verboten. Doch kein Verbot ohne Ausnahmen: Im Destillerie-Shop gibt es spezielle (und ziemlich teure) Sondereditionsflaschen und wer 10 Dollar investiert, kann bei Jack Daniels auch eine Führung mit Degustation buchen.
Wer bei Jack Daniel’s arbeitet, muss sich im Übrigen keine Sorgen um den Nachschub machen: Nach alter Werkstradition bekommen alle Mitarbeiter am ersten Freitag des Monats eine Flasche Whiskey gratis. „Sie hätten mal letzten Freitag hier sein sollen“, sagt unser Guide und lacht, „das war eine lustige Führung!“