Torf ist der Stoff, aus dem viele Whiskyträume sind. Zumindest wenn man auf rauchige Whiskys steht. Denn getorfte Gerste bringt die geliebten rauchigen Aromen erst in den Malt. Wenn es um die Angabe des Torfgehalts ihres Whiskys geht, dann gilt für viele Destillerien die Maxime: Mehr ist besser. Einige Brennereien überschlagen sich nur so mit den Angaben auf der Flasche: 167 ppm, 208 ppm, 258 ppm. Nicht selten verbunden mit der Behauptung, dies sei der “torfigste Whisky der Welt”. Doch was sagen die großspurigen ppm-Werte wirklich aus? In diesem Artikel unternehmen wir einen Ausflug in die faszinierende Welt der Phenole und klären, was der ppm-Wert über die Torfigkeit eines Whiskys aussagt.
Am Anfang ist der Torf: Denn wer einen rauchigen Whisky herstellen möchte, der braucht dafür zunächst einmal ein Stück von Mutter Erde. Einfach gesagt handelt es sich bei Torf um die obersten Schichten eines Moores, die überwiegend aus verwesenden Pflanzenfasern bestehen. Torf wird auf Feldern geerntet und kann mit einer Schaufel in Blöcken gestochen werden. Er ist ein idealer Brennstoff und wird deshalb schon seit Jahrhunderten zum Heizen und zum Trocknen der Gerste für die Whisky-Herstellung verwendet. Man verbrannte einfach das, was da war und gut brannte. Heute setzt man Torf ganz bewusst dazu ein, um besonders rauchige Malts herzustellen. Wie der Geschmack des Torfs in den Whisky kommt, haben wir in der ersten Folge unseres Guides bereits erklärt.

Phenole bringen die Torfaromen in den Whisky
Verbrennt man Torf, dann werden allerhand Phenole freigesetzt. Dabei handelt es sich um aromatische Verbindungen wie Crysole, Guiacole, Xylenole und Eugenole. Sie haben eine ölige Konsistenz und lagern sich an der Gerste ab. Jeder dieser Stoffe bringt eigene Geschmacksnoten in den späteren getorften Whisky. Das können je nach Phenol rauchige, medizinische, würzige, fleischige oder süßliche Noten sein. Die Zusammensetzung der Phenole im Torf ist je nach Lage des Feldes und verschiedener klimatischer Faktoren unterschiedlich. Und so ist auch der Geschmack des Torfes im Whisky nicht immer gleich. Es mag immer wie braune Erde aussehen, aber Torf ist dennoch nicht gleich Torf.
Aromen typischer Phenole in getorftem Malz
Phenol
2-Methylphenol (o-Cresol)
3-Methylphenol (m-Cresol)
4-Methylphenol (p-Cresol)
Dimethylphenole (Xylenole)
2-Methoxyphenol (Guaicol oder creosol)
4-Ethylguaiacol
4-Vinylguaiacol
4-(2-Propenyl)guaiacol (Eugenol)
Karbolisch
muffig, medizinisch
holzig, ätherisch
medizinisch
medizinisch, süßlich
medizinisch, holzig, rauchig
rauchig, fleischig
Nelke, würzig
Zimt, Nelke, würzig
Quelle: “The Science and Commerce of Whisky” von Ian Buxton und Paul Hughes, 2013.
So wird der Torfgehalt im Labor gemessen
Dennoch möchte ein Master Distiller natürlich wissen, wie stark getorft die Gerste ist, die er zum Brennen des Whiskys verwendet. Deshalb wird gemessen: Am besten mit einem Hochleistungsflüssigkeitschromatographen. Das Gerät klingt so toll wie es ist: Mit dem HPLC, wie ihn Chemiker auch nennen, kann man die Zusammensetzung einer Substanz analysieren und quantifizieren. Das Gerät sagt einem also, wie viel Phenole in der gemälzten Gerste stecken bzw. sich auf ihr abgelagert haben. Dieser Wert wird in “phenolic parts per million” oder ppm angegeben.
Auch die ppm im New Make können gemessen werden. Da jedoch, wie im Folgenden beschrieben, Phenole während des Brennverfahrens verloren gehen, ist dieser Wert immer niedriger als der in der Gerste gemessene ppm-Wert. Vielleicht auch aus diesem Grund geben fast alle Hersteller lieber den höheren Wert an – auch wenn er wenig über den Torf im Whisky aussagt.
Was bedeutet ppm bei Whisky?
Der Torfgehalt eines Whiskys wird in “phenol parts per million” oder kurz PPM ausgewiesen. Häufig wird der ppm-Wert der Gerste gemessen und nicht der Wert des New Makes oder des finalen Whiskys. Der Wert sagt in diesem Fall wenig darüber aus, wie viele Phenole und somit Torfaromen im finalen Whisky stecken und wie rauchig dieser tatsächlich ist.
Viele Phenole gehen beim Brennen und Lagern des Whiskys verloren
Ein beachtlicher Teil der Phenole geht während der Herstellung des Whiskys verloren. Einige bleiben am Ende der Maische am Boden hängen, einige gehen verloren oder verändern sich während der Fermentation und sehr viele überleben die zweite Destillation nicht. Da es sich bei Phenolen um große Moleküle mit einem hohen Siedepunkt handelt, werden sie in verdampfter Form erst ganz zum Ende des Destillationsprozesses freigesetzt.

Das ist der Punkt, an welchem der Brennmeister einen Cut macht, um keine ungewünschten Stoffe in seinem Destillat zu haben. Wird dieser Cut später gemacht, gelangen mehr Phenole in den New Make. Der Master Distiller kann den Torfgehalt im jungen Whisky also ziemlich genau steuern.
Auch bei der Lagerung im Holzfass werden in den folgenden Jahren stetig Phenole abgebaut. Wer zum Beispiel einmal Laphroaig 10 Jahre, 18 Jahre und 25 Jahre miteinander verglichen hat, wird dies bestätigen können. Ist der 10-jährige noch stark medizinisch, sind diese Aromen in den älteren Abfüllungen weniger zu finden. Die Kraft von Torf und Rauch nimmt über die Jahre häufig ab, der Whisky wird weicher. Er verändert sich und mit ihm der Geschmack und die Intensität des Torfs. Natürlich ist auch der Laphroaig 25 Jahre noch ein rauchiger Whisky, aber die Unterschiede zwischen den Abfüllungen in Sachen Rauch und Torf sind dennoch offensichtlich. Gleiches gilt natürlich für alle Marken, ein Lagavulin 8 Jahre ist viel rauchiger und wilder von den Torfnoten, als ein Lagavulin 16 Jahre usw…

Moderne Mälzereien und die ppm-Spezifikation
Bei Destillerie-Touren zeigen Islay-Brennereien wie Bowmore oder Laphroaig gerne ihre Malting Floors und die Öfen, in denen der Torf verbrannt wird. Doch ein Großteil der gemälzten Gerste auf Islay stammt aus den Port Ellen Maltings, einem Tochterunternehmen von Diageo. Das ist zum einen günstiger, als es selbst zu machen. Zum anderen könnten die alten Anlagen in den Destillerien kaum die benötigten Mengen für die mittlerweile stark gestiegene Malt Whisky-Produktion liefern. Und zum dritten erreicht man in einer industriellen Mälzerei eine höhere Konsistenz in der Qualität, als wenn man die Gerste auf dem Boden des eigenen feucht-warmen Gebäudes verteilt und von Hand wendet (auch wenn das in den Führungen immer gerne gezeigt wird). Die großen Mälzereien wie in Port Ellen torfen die Gerste direkt in der gewünschten ppm-Stärke, die zusammen mit anderen Faktoren in einer Spezifikation festgelegt ist. Die Destillerie kann mit der gemälzten Gerste direkt loslegen, sie zermahlen und eine Maische ansetzen.
Der Torfgehalt eines Whiskys kann auch nachträglich noch nach unten korrigiert werden, indem man den zu stark getorften Malt mit einem ungetorften Malt vermählt. Das klingt trivial, erfordert aber viel Fingerspitzengefühl des Master Blenders. Wer schon einmal selbst einen Whisky geblendet hat, der weiß wie schnell man sich seltsame Aromen in die Mischung holt…

Destillerien und die ppm-Werte ihrer Gerste
Die folgende ppm-Liste enthält einen groben Überblick über den Phenolgehalt der Gerste einzelner Destillerien und zusätzlich den Phenolgehalt im New Make, also nach dem Brennen. Was auffällt: Fast immer wird der ppm-Wert allein durch die Destillation mindestens halbiert. Einige Brennereien sprechen lieber nur über den Torf in der Gerste und nicht über den, der auch im Whisky ankommt. Sie halten sich in Sachen Torfwerte im New Make bedeckt und veröffentlichen keine Zahlen.
Destillerie
Ardbeg
Ardmore
Bowmore
Bruichladdich
Port Charlotte
Octomore
Bunnahabhain
Caol Ila
Highland Park
Kilchoman
Laphroaig
Talisker
Torfgehalt der Gerste
55 ppm
12-14 ppm
25-30 ppm
ungetorft
40 ppm
167-258 ppm
35+ ppm
30-35 ppm
20 ppm
10-25 ppm & 50 ppm
40 ppm
25-30 ppm
Torfgehalt des New Make
25 ppm
3,5-6 ppm
8-10 ppm
ungetorft
nicht bekannt
nicht bekannt
nicht bekannt
nicht bekannt
weniger als 3 ppm
unbekannt
18 ppm
nicht bekannt
Quelle: Eigene Recherchen
Fazit: Was der ppm-Wert über einen torfigen Whisky aussagt (und was nicht)
Mit den ppm haben die Destillerien eine schöne Messgröße gefunden, mit der sich der Torfgehalt eines Whiskys werbewirksam darstellen lässt. Doch die auf der Flasche angegebenen ppm-Werte werden fast immer in der Gerste gemessen und nicht im fertigen Whisky.
Es hängt aber von vielen Faktoren des Brennprozesses ab, wie viel Phenole am Ende den Weg in den New Make finden. Auch bei der folgenden Fasslagerung werden noch Torfaromen abgebaut – die hohen ppm-Werte schrumpfen regelrecht zusammen. So kann ein junger Whisky mit niedrigerer ppm-Angabe dennoch rauchiger und torfiger schmecken als eine ältere Abfüllung mit hohem ppm-Wert.
Das zeigt, wie wenig Aussagekraft diese Werte in Wirklichkeit haben. Es wäre besser den Phenolwert im New Make oder sogar im fertigen Whisky zu messen. Die Zahl wäre in jedem Fall ehrlicher, als der Bluff mit den großen ppm-Nummern. So wie die Destillerien es aktuell halten, sind die ppm-Werte allenfalls ein grober Hinweis auf den Torfgehalt eines Whiskys.
Was bleibt sind natürlich die Raucharomen im Whisky. Wenn ich einen gelungenen Islay-Malt im Glas habe, kann es mir natürlich letztlich egal sein, ob 25 ppm oder 55 ppm in der Gerste waren. Hauptsache ist, dass die Phenole aus dem Torf harmonieren und es Spaß macht den Whisky zu genießen.
Tipp zum Weiterlesen: Auf unseren Themenseiten findest du die besten rauchigen Whiskys, die wir bereits getestet haben und viele weitere Stories rund um torfige Malts.
9 Kommentare
Eine der wenigen Brennereien die den ppm-wert auf der Flasche angibt ist Octomore von Bruichladdich.
Zum Beispiel 88 ppm für den 10.4 und bis zu 308 ppm für den 8er. Die Top-Whiskys sind jedoch massiv überteuert. Man bedenke für den 10.4, zwar ein fantastischer Stoff, obwohl nur 3 Jahre im Fass und trotzdem über 150 Euro – puhhh…
Die ppm-Werte wurden garantiert in der Gerste gemessen, denn ein Ardbeg An Oa mit zirka 50 ppm wirkt torfiger.
FAZIT: Alles ist relativ, geschmacksabhängig und was bin ich bereit dafür zu bezahlen.
LG
Andreas
Tolle Informationen, vielen herzlichen Dank dafür!
Ich bin vor 2 Monaten erst zum Whisky gekommen und habe nach kurzer Findungsphase und 40 verschiedenen Single Malts eindeutig Laphroaig 10 als MEINEN Whisky identifiziert, auch die übrigen Laphroaigs haben es mir angetan aber keiner so, wie der TEN. Ich bin wohl ein Islay-Fan aber suche immer noch weitere medizinische/jodartige/Mullbinden mit gerne auch einem Gummi- oder Teeraroma.
Gibt es denn eine spezielle „Medizinisch“-Empfehlung? Es darf ruhig anstrengend sein, das Riechen und Schmecken. Bowmore 12 Jahre, Caol Ila 12 Jahre, Ardbeg sind mir alle schon begegnet, keiner davon hatte eine tatsächliche Jod-/Medizin-Note.
Liebe Grüße
Du könntest einmal die Longrow Peated Whiskys probieren.
Hallo,
ja ich finde den Artikel auch toll. Vor allem zum mag ich den Schluss. Spaß machen und schmecken sollte der Whisky und somit ist es letztendlich relativ egal was das Marketing zu suggerieren vermag.
Grüße vom Rhönschotten Gerson
Eine Angabe über den Phenolgehalt in der Flasche findet ihr bei
AILSA BAY Sweet Smoke Release 1.2 mit 22 pppm
Hallo. Also ich bin froh den Octomore vorm Kauf bei einem befreundeten Hotelier kosten konnte.
Ein überteuerter nicht guter Schnaps. 5 Jahre gelagert und bis 309 ppm? Eine Halbwahrheit. Habe ihn mir nach Verkostung nicht gekauft.
Schöner Artikel, Danke!
Ich liebe rauchige Whisky, mich haben aber irgendwelche PPM-Werte noch nie wirklich zum Kauf geleitet / überzeugt bzw. angesprochen. Dennoch geht das Marketing auf, denn so einen Octomore (wann endet euer Gewinnspiel?!?!?! :)) wollte ich immer schon mal testen!
VG
Marcel
Hallo Lukas,
schöner Artikel, vielen Dank dafür!
Gibt es denn irgendeinen Hersteller, der auch mal angibt, wieviel ppm in der Flasche landen?
Danke für dein Lob! Obwohl ich einige rauchige Whiskys im Regal stehen habe, kann ich mich nicht erinnern eine solche Angabe auf einer der Flaschen gesehen zu haben. Dabei wäre es sicher ehrlicher nicht nur die ppm in der Gerste, sondern auch den Wert im Whisky zu messen und anzugeben.
Viele Grüße
Lukas