Ist es nicht kurios, wie die Zeiten sich ändern? Und dass, obwohl die Whisky-Hersteller sich so gerne und mit großem Marketing-Trara auf eine lange und durchgehende Tradition berufen? Wir unternehmen heute eine Zeitreise ins Jahr 1961. Es ist Freitag, der 26. Mai und ihr holt euch nach einer langen Arbeitswoche die Wochenzeitung DIE ZEIT. Genau die richtige Lektüre für einen entspannten Feierabend. Und die richtige Lektüre, um seine Genussmittel-Kenntnisse etwas aufzufrischen. Unter dem Titel “Keine Whisky-Experimente” erklärt die Zeitung seinen Lesern an diesem Tag stolz, woran man einen guten Whisky erkennt.
Einen guten Whisky erkennt man angeblich am hohen Preis
“Whisky ist gut, also teuer – 24,50 Mark die Flasche. Man kann ihn auch billiger haben, aber dann ist er nicht mehr gut. Natürlich ist auch der Preis von 24,50 Mark noch keine Garantie für Qualität. Gute schottische Whiskys sind andererseits jedoch alle ziemlich gleich gut, alle mit irischem Whisky verschnitten und im Geschmack auch für Kenner kaum zu unterscheiden.”
Ja das waren noch Zeiten, wo es einen richtig guten Whisky schon für 24,50 Mark gab (umgerechnet heute ca. 12 Euro, damals vermutlich mehr) und es egal war, welchen man kaufte, weil selbst erfahrene Kenner den einen Scotch nicht vom anderen unterscheiden konnten. Außer vielleicht am irischen Anteil. Mögliches Gespräch in der Bar: “Heute aber wieder viel Ire im Scotch oder?” – “Mhmm, hab auch das Gefühl…irgendwie so grün der gute Tropfen.”
Welche “guten Whiskys” gab es 1961 für 24,50 Mark?

Die ZEIT: “Zu diesen guten schottischen Whiskys gehören: Black and White, White Label, Gold Label, Red Label, Johnny Walker; als König der Whiskys (für meinen Geschmack, versteht sich) darf Haig’s Dimple Scots gefeiert werden, ein Whisky für Sorgen- und Feiertage; freilich. noch ein paar Mark teurer als die üblichen.”
Was für fröhliche Stunden waren das doch mit Johnnie in weißer, goldener, roter Hülle oder mit den fröhlichen Hunden von Black & White auf dem Etikett. 1961 feierte man ganz selbstverständlich mit Blends, die Single Malts von Glenfiddich und anderen sollten erst ab 1963 für Aufsehen sorgen.
Ein Whisky braucht Zeit – sieben Jahre
Doch schon damals wusste man, dass ein guter Whisky von einer langen Lagerung im Holzfass profitiert. Oder zumindest dass, was man 1961 unter “lang” versteht:
“Guter Whisky ist (wie guter Kognak) erst dann gut, wenn er viele Jahre im Faß gelagert hat – am besten: sieben Jahre lang”
Das bringt es mit sich, dass nur “wohlfundierte” und “entsprechend renommierte” Firmen es sich leisten könnten, eine Spirituose so lange als “im Keller” herumliegen zu lassen. Woraus der Schluss zu ziehen ist:
“Es gibt für schottischen Whisky (und nur von dem sei hier die Rede) keine neuen Firmen, die wert wären, daß man sie kennenlernte.”
Die Whisky-Welt der Pre-Single-Malt-Ära
Was ich an diesen aus heutiger Sicht etwas zweifelhaften Erkenntnissen so spannend finde? Zum einen zeigen sie, wie man im Jahr 1961 über das Thema Whisky dachte. Der große Boom der Single Malts war damals nicht im Ansatz vorstellbar. Eine Reifung von 7 Jahren galt als lang – viele Single Malts haben heute ein Vielfaches davon.
Es zeigt aber auch, welches Erbe es hier zu bewahren gilt: Wer will denn in solche Zeiten mit jungen und kaum gereiften Whiskys zurückfallen? Mit den No-Age-Statement-Malts geht es aktuell wieder in genau diese Richtung. Schon jetzt wird so mancher 7-jähriger wieder mit blumigem Titel und ohne Altersangabe verkauft – und findet häufig einen Abnehmer. Es liegt an uns Genießern diese Entwicklung kritisch zu hinterfragen. Und vielleicht einfach mal wieder einen klassischen Age Statement Whisky zu kaufen.
Zum anderen macht der Artikel deutlich: Auch mit Scotch Blends kann man viel Freude haben – viele Marken aus den 1960er Jahren gibt es ja auch heute noch. Und es spricht doch nichts dagegen sich mal wieder einen klassischen 60s-Drink zu mixen wie z.B. den Rusty Nail.
4 Kommentare
Guter Artikel, und dennoch gibt es sehr gute weitere Argumente für einen Blend aus den 60er Jahren. Wie man weiß, wurden damals noch teilweise andere Gerstensorten verwendet, teuer und heikel in der Pflanzung, eine langsamere Destillation, weniger Spirit in den Blasen, um längeren Kontakt mit den Kupferwänden zu garantieren, ließen eben andere Produkte als heute entstehen.
Aber auch das damalige Trinkverhalten war anders als heute. Weiß ich aus eigener Erfahrung mit meinen 71 Jahren. Ein guter Whisky musste weich, füllig, zugängig sein um zu gefallen.
Das ist es, was den “alten Stil” auszeichnet und von den heutigen Marketingprodukten der Single Malts abhebt. Die Qualität der Grundprodukte war einfach höher.
Beim Bemühen um einen guten – und damit verkaufbaren – Blend ging schon alleine durch die Mischung aus vielen Malts und Grains eine erkennbar eigene Charakteristik, wie sie die Single Malts auszeichnet, verloren. Aber so war die gute alte Zeit eben. Man suchte nicht eine bestimmte Besonderheit, sondern einen Whisky, den man zu jeder Tageszeit genießen konnte. Dafür sorgte schon der Alkoholgehalt von 40% oder 43%.
Ich persönlich sehe die guten alten Blends heute als Zeitzeugen, die es Wert sind, gesammelt zu werden, denn ewig werden die alten Vorräte auch nicht reichen. Mit Geduld kann man heute noch Blends aus den 60er und 70er Jahren um rd. 30 Euro brutto (Versteigerungsbetrag + Transportkosten) erstehen. Der Handel verlangt bereits ein Vielfaches davon. Ein aus meiner Sicht sehr günstiges Qualitätsschnäppchen gegenüber vielen viel zu hochpreisig angesetzten Single Malts, deren Preis sich oft weniger an der Qualität orientiert, sondern am Namen der Brennerei und des guten Marketings.
Aber auch die heute mittlerweile fast unbezahlbaren Single Malts aus diesem Zeitraum sind von spürbar besserer Qualität als die aktuell produzierten. Daher habe ich meinen Sammelschwerpunkt deutlich zugunsten der alten Blends verlagert, denn eine Flasche um 30 Euros öffnet man leichter als eine um 800 Euros. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man neben Whiskykultur einen Tropfen genießen kann, der schmeckt und kein Loch in die Brieftasche reißt.
Leider merke ich auch, dass vielfach bei Auktionen die Preise langsam anziehen und es nicht mehr lange dauern wird, bis auch die alten Blends zu den Single Malts aufschließen.
Natürlich wurden in den 60ern und 70ern auch Blends produziert, die wässrig, leicht und ‘minderwertig’ erscheinen, heute würde man Fusel dazu sagen, doch die zu vermeiden hilft eine Recherche bei Mr. Google bevor man an einer Versteigerung teilnimmt.
Ist aber alles nur meine persönliche Wahrnehmung und Meinung zu dem wunderbaren Kapitel über die Blends der 60er und maximal noch der 70er. Ab den 80ern sind mit nur mehr wenige brauchbare Blends untergekommen. Daher sammle ich alte Blends, solange die Keller der Anbieter noch Bestände aufweisen, denn die Ära der günstigen und guten Blends geht langsam aber sicher zu Ende.
Nichts gegen Blends und nichts gegen antike Unwissendheit, mag auch sein, dass sich der Geschmack gemeinhin geändert hat, aber an manchen Punkten sehe ich das doch zumindest etwas kritisch.
Ich selber habe in meiner Jugend mit Scotch nicht viel anfangen können, also gab es Bourbon und den mit reichlich Cola und Eis, heute würde ich mir das nicht mehr antun, zumal was ich damals für einen guten Bourbon hielt, ich heute nur noch als wässrig und weitestgehend geschmacklos empfinde.
Später wollte ich zeigen, dass ich Kultur habe und trank dann Blends, Dimple, Johnny Walker Red Label, noch später kamen dann Teachers oder auch mal ein freundlicher Ire Paddys, Tallamore Dew oder Jameson dazu.
Um die Wahrheit zu sagen es stimmt schon ein guter Blend kostet häufig richtig viel Geld und kann durchaus ein Genuß sein, aber seit ich Single Malts kenne bevorzuge ich diese, soweit es mir finanziell irgendwie möglich ist. Ich sage es Mal so Glenfiddich 12 Jahre alt ist ganz bestimmt nicht anspruchsvoll und hat auch so nicht allzuviel zu bieten, aber zumindest macht man niemals etwas falsch damit.
Mein derzeitiger Geheimtip Glen Elgin 12 Jahre alt oder einen schönen Glenfarclas 105, das sind großartige Momente und preislich hervorragend.
@Bernd Brückner
Besser hätte ich es nicht zusammen fassen können.
Ähnlicher Werdegang im Whisky-Trink Verhalten, bin nur bei den rauchigen Kollegen gelandet.
Die Zeiten des billigen “Fusels” hat man zum Glück hinter sich gelassen !!!
Es stimmt schon, dass die unterschiedlichen Prägungen moderner Whiskys von blumig, torfig rauchig, salzig und den Charakteren der Sherryfässer oder Bourbonfässer heute willkommene Abwechslungen bieten, die, wenn man sucht, auch nicht unbedingt teuer sein müssen.
Der Glen Elgin mit 12 Jahren oder der Genfarclas 105 sind, neben vergleichbaren wie Laphroaig, Talisker, Aberfeldy und anderen, absolut schöne Malts. Und auch mit einem Glenfiddich mach man nicht viel falsch.
Doch sprechen wir hier von einer ganz anderen Ära des Trinkverhaltens und der Produktion, die man nicht miteinander vergleichen kann. Beide haben ihre Berechtigung und Liebhaber.
Und doch merke ich beim Verkosten in unserem Club, dass neben den vielen guten modernen Tropfen ein alter Blend zu begeistern weiß. Sind eben zwei Welten, die nebeneinander existieren können, auch wenn sich unser Trinkverhalten zunehmend an der Vielfalt der modernen Single Malts orientiert.