Hallo liebe Redaktion,
seit einiger Zeit lese ich immer mal wieder Eure Artikel. Eine Frage lässt mir seit einiger Zeit keine Ruhe:
Öfter höre ich in Whisky-Videos im Hinblick auf den Abgang: “Jetzt ist die Eiche deutlich spürbar” oder während der Verkostung selbst: “deutliche Eiche” oder ähnliches.
Was ist eigentlich immer mit dieser “Eiche” gemeint? Das Bittere?
Für Eure Antwort im voraus vielen Dank.
Viele Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
wenn Whisky-Liebhaber von der “Eiche” sprechen, dann meinen sie damit als allererstes die Fässer, welche aus Eichenholz gefertigt werden. Während der Reifung des Whiskys im Fass gibt das Holz verschiedene Aromen an das Destillat ab, andere Noten werden glatt geschliffen oder entstehen bei der Interaktion zwischen Whisky und Holz. Doch was genau passiert, wenn der Malt, Bourbon oder Rye Whiskey ins Oak Cask kommt?
Damit ein Eichenfass für die Whisky-Herstellung genutzt werden kann, muss das Holz zunächst aktiviert werden: Hierzu werden die Fässer bei der handwerklichen Fertigung “getoastet”, also mit einer Flamme ausgebrannt. Dabei wird Zellulose zu Zucker und karamellisiert, im Holz enthaltenes Lignin wird teilweise in Vanillin umgewandelt.

Ohne das Ausbrennen zu Beginn des Fasslebens hätte der Whisky es schwer diese Noten aus den Holzwänden zu lösen. Ein neues Fass bezeichnet man als Virgin Oak Cask. Es gibt in der ersten Zeit viele und vor allem süße Aromen an den Whisky bzw. Whiskey ab. Vanille ist häufig zu schmecken, teilweise Karamell und bisweilen auch exotische Noten wie Kokosnuss oder süßer Ingwer.
Nun reifen die allermeisten Scotch Whiskys nicht in frischen Fässern, sondern in Ex-Bourbon-Barrels. In den USA dürfen Fässer nur einmal verwendet werden, weshalb es aus Kentucky, Tennessee und anderen US-Bundesstaaten jede Menge einmal benutzte Fässer gibt, welche die Schotten gerne für ihren Whisky weiternutzen. Der eingefüllte Scotch nimmt neben den Holzaromen zusätzlich auch Noten des zuvor enthaltenen Bourbons in sich auf – häufig sind dies süßliche Noten vom Mais, auch Vanille, aber auch würzige Nuancen vom Roggen oder anderen Getreiden.
Alle diese Aromen kommen aus dem Holz oder entstehen in der Interaktion des Whiskys mit ihm. Und doch meinen Whisky-Kenner etwas anderes, wenn sie in Bezug auf den Geschmack von der “Eiche” oder “Eichenholz” sprechen.

Je länger ein Whisky im Eichenfass reift, desto stärker werden üblicherweise die Holzaromen. Manche Whiskys schmecken so, als ob man gerade einen hölzernen Eisstiel abgelutscht hat. Andere haben eine Note, die an einen Besuch im Baumarkt erinnert. Wieder andere erinnern an dunklen Parkettboden oder holzgetäfelte Wände. Von hellen bis dunklen Holznoten ist die gesamte Bandbreite auch im Whisky zu riechen und zu schmecken.
Zumindest scheint es so: Denn natürlich handelt es sich um Assoziationen, um eine Annäherung an den Geruch oder Geschmack eines Whiskys. Kaum ein Whisky-Fan geht schließlich ständig in den Wald an irgendwelchen Bäumen schnuppern oder schleckt das Eichenholzparkett ab, um einen Vergleich zu haben.
Davon abgesehen hat die Eiche hat nicht nur positive Effekte: Die Holznote, gerade von frischen Fässern, kann schnell zu dominant werden und andere feinere Aromen überlegen. Im Englischen spricht man von “spicyness” und meint damit nicht nur die Würzigkeit, sondern auch eine gewisse Schärfe, die vom Holz ausgehen kann. Auch kann man von der Holzigkeit eines Whiskys häufig nicht auf sein Alter schließen. In Virgin Oak Casks entstehen holzige Aromen viel schneller, als wenn ich einen Scotch zum vierten Mal in ein Fass gebe.

Auch die Whiskyfass-Größe hat einen unmittelbaren Einfluss auf den Holzcharakter: In kleineren Fässern hat prozentual mehr Destillat auch Kontakt zu den Fasswänden und kann Aromen aufnehmen. Der Whisky wird schneller holzig, aber reift er auch wirklich schneller? Daran sind Zweifel angebracht, da eine aufgesetzte Holznote allein häufig nicht ausreicht, um den ganzen Whisky zu tragen. An der Tiefe, Komplexität und teilweise auch Harmonie der Aromen in Verbindung mit der Holznote lässt sich ein guter alter Whisky deutlich besser erkennen.
Am Ende kommt es wie immer im Leben auf die richtige Mischung an: Ein Whisky darf und soll vielleicht sogar nach “Eiche” riechen und schmecken. Manch einer mag es, wenn ein Scotch richtig Holz vor der Hütte hat, während der andere dann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
In diesem Sinne: Bleib immer schön flüssig und der Eiche auf der Spur!
Genussvolle Grüße
Lukas & Samuel
PS: In unserem Essentials-Guide erfährst du mehr zur Whiskylagerung und dem Finish.
Frag Malt Whisky: Habt ihr auch eine Frage zu Whisky? Schreibt uns eine E-Mail an redaktion@maltwhisky.de oder eine Nachricht über das Kontaktformular. Regelmäßig beantworten wir ausgewählte Fragen in dieser Rubrik. Wir wissen zwar auch nicht alles, aber haben zu vielen Whisky-Themen eine Ahnung und noch häufiger eine Meinung. 🙂 Wir freuen uns auf eure Post!
5 Kommentare
Hallo Lukas,
also erst mal muss ich mich outen: sooooo viele Whiskys hatte ich jetzt noch nicht. Und vor allen Dingen nicht so teure (kann ich mir nicht so leisten….). Den letzten den ich im Glas hatte war der “Edradour 10 Distillery Edition”. Und da vernahm zumindest ich im Abgang eine leichte Bitterkeit…
Noch eine Frage: macht sich die Eiche auch durch Bitterkeit bzw. einen “pfeffrigen Geschmack” im Abgang bemerkbar? Ich bilde mir ein, ich hätte sowas mal gelesen. Oder kommt die Bitterkeit vom Alkohol? Sowas kann ich immer nicht unterscheiden. Kann man das überhaupt unterscheiden, woher die Bitterkeit kommt?
Soweit ich bei meinen bisherigen Verkostungen feststellen konnte, kann ein bitterer Geschmack im Abgang sowohl von (häufig jungem) Alkohol kommen, als auch von einer längeren Lagerung im Eichenholzfass. Ich glaube die Bitterkeit alleine zu unterscheiden, ist eher schwierig bis unmöglich. Aber häufig gibt es ja begleitende Faktoren wie etwa einen deutlichen Holzgeschmack. Gerade in Virgin Casks reift ein Whisky deutlich intensiver und kriegt schnell eine Holznote, die auch zu stark und dominant sein kann. Sie überdeckt dann andere Noten und schmeckt bitter. Und bei der Bitterkeit von jungem Alkohol schwingt ja öfter auch noch eine süßliche, irgendwie “fuselige” Note mit. Am Ende hilft wohl nur Ausprobieren und immer wieder Verkosten – dann bekommt man irgendwann ein Gefühl dafür bzw. ist es bei manchen Whiskys vielleicht auch gerade der Stoff für Diskussionen. Welche Whiskys hattest du denn zuletzt im Glas? Gibt es einen der dir von der Holznote richtig gut gefällt?
Ihr hättet noch kurz auf den Unterschied von additiver und subtraktiver Reifung eingehen sollen, dann wären einige Aspekte klarer heraus gekommen.
Guter Hinweis, nehmen wir gerne auf und werden die drei Reifungsarten noch ergänzen!