Genießt man einen guten Wein, dann gehört das Schwenken des Glases als fester Bestandteil zum Trinkritual dazu. Nicht nur, dass die Bewegung kennerhaft aussieht, sie entlockt dem Wein auch mehr Aromen. Doch wie sieht es beim Whisky aus? Hilft das Schwenken des Glases oder erschwert es das Tasting vielleicht sogar? Wir stellen das Pro und Contra des Whisky-Schwenkens in diesem kompakten Guide gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
Pro: Was spricht für das Schwenken von Whisky?
Die Befürworter des Schwenkens von Whisky verweisen darauf, dass Scotch & Co genau wie Wein im Glas mit Sauerstoff reagieren. Durch das kurze Schwenken des Nosing-Glases kommt der Whisky schneller mit mehr Luft in Kontakt, die Verdunstung wird kurzfristig erhöht und verborgene Aromen kommen zum Vorschein.
“Das ist wichtig, weil der Whisky sein ganzes Leben in einem Fass oder einer Flasche gefangen war und jetzt etwas Zeit braucht, um sich selbst zu entfalten und seine wahren Eigenschaften zu zeigen.”, erklärt Brian Kinsman, der Master Blender von William Grant & Sons.
Wer den Whisky im Glas begutachten möchte, wird ihn hierzu ebenfalls schwenken wollen. Denn Farbe und Viskosität der Flüssigkeit, sowie die Form der am Glasrand herablaufenden Tropfen (im Englischen “tears” oder “legs” genannt) können so besser betrachtet werden. Lange Schlieren verraten, dass der Whisky vermutlich einen erhöhten Alkoholgehalt hat. Auch deuten sie auf eine gute Textur, sprich ein gutes Mundgefühl hin. So sieht es zumindest Whisky-Urgestein CharlesMacLean in seinem “Nosing Course” für das Whisky Magazine (nicht mehr online).
Nun besteht natürlich auch noch mal ein Unterschied, ob ich das Whiskyglas langsam drehe, um so die Glaswände zu befeuchten, oder ich den Whisky tatsächlich wild herumwirble. Einige Whisky-Experten wie Richard Paterson (Master Blender von Whyte & Mackay) schwenken jedenfalls so exzessiv, dass man schon von schleudern sprechen kann:
Bei diesen wilden Bewegungen steht aber wohl mehr der Showeffekt im Vordergrund, als der tatsächliche Vorteil beim Nosing und Tasting des Single Malts. Und so wird wohl kaum jemand tatsächlich Zuhause den ersten eingeschenkten Schluck Dalmore 18 Jahre im Wohnzimmerteppich versenken wollen…
Contra: Was spricht gegen das Schwenken von Whisky?
Das Schwenken von Whisky hat aber auch Nachteile: So löst sich durch die Bewegung der im Whisky enthaltene Alkohol und steigt auf. Hält man nun die Nase ans Glas, dann atmet man bei den nächsten Riechproben vor allem Ethanol ein – dieser überlagert die anderen Aromen des Malts häufig komplett. Nach dem Schwenken ist es folglich empfehlenswert dem Whisky etwas Zeit geben, sodass sich die alkoholischen Noten wieder verflüchtigen können.
Erst Schwenken damit es schneller geht, um dann wieder zu warten? Das klingt in der Tat nicht sonderlich logisch…
Ein interessantes Experiment haben derweil die Kollegen bei BourbonSippers.com durchgeführt: Sie stellten zwei Proben Knob Creek Single Barrel auf den Prüfstand. Der amerikanische Whiskey wurde in vier Varianten serviert: Dekantiert, belüftet, geschwenkt und ungeschwenkt. Es stellte sich heraus, dass den Testern die ganz unspektakulär ins Nosing-Glas eingeschenkten Proben am besten schmeckten. Der geschwenkte Bourbon schnitt am schlechtesten ab.
Nun ist das sicher kein repräsentativer Versuch, aber doch ein Hinweis darauf, dass man mit seinem Whisky bzw. Whiskey im Glas nicht allzu viel machen sollte (außer natürlich ihn zu verkosten und zu trinken).
Aber was ist mit den Weinkennern? Sollte man es ihnen nicht schon aus Prinzip und Stilgefühl gleichtun?
Hierzu sollte man vor allem die Unterschiede zwischen Wein und Whisky beachten: Wein enthält deutlich weniger Alkohol und ändert seinen Charakter und Geschmack unter Lufteinfluss relativ schnell, weswegen man ihn häufig auch dekantiert. Spirituosen reagieren hingegen deutlich langsamer als Wein mit dem Sauerstoff. Aus diesem Grund muss man offene Weine auch innerhalb weniger Tage konsumieren, kann geöffnete Whiskys aber unter guten Bedingungen verlustfrei bis zu ein Jahr und länger lagern.
Warum wir bei Malt Whisky unseren Whisky nicht schwenken
Bei unseren Tastings für das Malt Whisky-Magazin schwenken wir die Proben in aller Regel nicht. Denn wir haben ebenfalls beobachtet, dass sich bei zuvor bewegten Malts vor allem alkoholische Noten lösen. Und die stören in der Nase und verdecken andere Aromen.
Ohnehin erscheint es wenig sinnvoll eine Verkostung durch eine schnellere Belüftung beschleunigen zu wollen: Wir geben dem Whisky im Glas lieber die natürliche Zeit, die er für die Entfaltung seiner Aromen braucht.
Immer wieder Riechen wir am Glas: Denn auch die Entwicklung des Whiskys über einen Zeitraum hinweg kann spannend sein und wichtige Erkenntnisse liefern. Es lohnt sich also, immer wieder am Nosing-Glas zu schnuppern, bevor die Probe den Weg an den Gaumen findet.