Wer Whisky sagte, meinte bis vor wenigen Jahren praktisch immer: Scotch Whisky. Die Schotten waren mit ihren Destillaten so allgegenwärtig, dass eine andere Herkunft gar nicht in Frage zu kommen schien. Und natürlich wird bei Destillerie-Touren lang und breit erklärt, dass das spezielle Mikroklima auf der britischen Insel und in der jeweiligen Region einer der wichtigsten Faktoren für den Geschmack des Whiskys sei.
Ja, das Klima trägt sicher einen Teil dazu bei. Viel wichtiger aber sind Erfahrung mit der Herstellung von Whisky, die Verfügbarkeit von guten Holzfässern und natürlich Geduld bei der Lagerung. Denn eigentlich spricht nichts dagegen, einen guten Whisky nicht auch woanders herzustellen. Zum Beispiel in Taiwan.

Die ungewöhnliche Idee: Single Malt Whisky aus Taiwan
Diesen Gedanken muss auch T.T. Lee gehabt haben, der Gründer des taiwanesischen Lebensmittel- und Getränkekonzerns King Car Group. Er erfüllte sich 2005 einen Traum, den wohl nur wenige von uns sich jemals verwirklichen können: Die Eröffnung einer eigenen Whisky-Destillerie. Und zwar keine kleine Mikrobrennerei, sondern eine richtig großformatige Anlage.
Ähnlich wie bei japanischen Destillerien kam das Wissen über die Herstellung von Whisky aus Schottland: Der Chemiker Ian Chang hatte seine Ausbildung zum Master Blender in Schottland erfolgreich abgeschlossen. Der britische Chemiker und Whisky-Kenner Dr. Jim Swan (inzwischen leider verstorben) unterstützte die Taiwanesen beim Aufbau der Kavalan-Destillerie.

Warm und feucht: Kein Klima für Whisky?
Hohe Luftfeuchtigkeit und Tagestemperaturen, die selten unter 20° C liegen, stellten eine große Herausforderung dar. In diesem Klima reift ein Whisky viel schneller im Holzfass als im vergleichsweise kalten schottischen Klima. Der Angel’s Share von Kavalan soll bei exorbitant hohen 15-18 % pro Jahr liegen – diese Menge Whisky verdunstet einfach mal so durch die Wände des Fasses, der Füllstand sinkt nach einigen Jahren rapide ab.
Und natürlich konnte Kavalan – anders als viele etablierte schottische Destillerien – auch nicht auf ein bestehendes Lager an reifen Whiskys zurückgreifen. Und so sind die meisten bisher erschienenen Kavalan-Whiskys eher jung und es gibt bisher auch keinen Age-Statement-Whisky der Taiwanesen.
Kavalan Single Malt: Junger Whisky aus sechs verschiedenen Fässern
Der Kavalan Single Malt bildet so etwas wie die Basis der einfallsreich mit Solist, Podium, Concertmaster oder Conductor betitelten Abfüllungen. Vor einiger Zeit trug er noch den Zusatz Classic, auf den man inzwischen aber anscheinend verzichtet.
In der ikonischen Flasche aus klarem Glas steckt ein mindestens vier Jahre alter Whisky, der in einem Mix aus gleich sechs verschiedenen Fässern gereift wurde. Darunter Ex-Bourbon-Fässer, Sherry-Casks und verschiedene Rotweinfässer aus Spanien, sowie Weißweinfässer aus Portugal.

Über 50 Euro werden für eine Flasche des Taiwanesen aufgerufen – ein stolzer Preis für einen so jungen Whisky. Wieviel Geschmack bietet der Kavalan Classic für dieses Geld? Schlummert in der schicken Flasche vielleicht ein neuer Geheimtipp?
Unser Tasting des Kavalan Single Malt Whisky
Wie riecht er?
Ein fruchtiger Auftakt wie bei einem Speysider. Wir riechen Birnen, aber auch exotischere Früchte wie Ananas. Süß und fruchtig macht sich der Duft in unseren Nosingnasen breit. Wir erkennen Aprikosen, Birnenbrot mit Rosinen und Blütenhonig. Auch eine malzig-getreidige Note prägt den Duft des Kavalan. Darüber liegt ein leicht säuerliches Aroma, welches sehr dezent an Sherry oder Rotwein erinnert und immer wieder Splitter von Holz durchblitzen lässt. Auch der Geruch nach frisch umgegrabener Erde schimmert bisweilen durch die Mischung.
Wie schmeckt er?
Der Geschmack ist ebenfalls süß und fruchtig. Neben Vanille sind es vor allem tropische Früchte wie Pfirsich, Melone und Banane, die den Geschmack des taiwanesischen Single Malts so ungewöhnlich machen. Diese Exotik macht den Kavalan so spannend! Im Mittelteil dominiert dann erneut das Getreide, welches überraschend breit angelegt ist. Der Abgang wird von hellen Holznoten bestimmt, eine leicht bittere Note kommt hinzu. Mit einer Spur Birnenschale auf der Zunge lässt uns der Kavalan zurück.
Aktualisiert am 21.09.2023 um 23:13 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API
3 Kommentare
Ich bringe mir immer eine Flasche Solist aus Taiwan mit, und muss sagen, das sind die besten Whiskeys die ich kenne, vor allem bei dem Preis (ca. $60 – $80 im Duty Free).
Habe mir gestern mal die Flasche Kavalan Classic aufgemacht, und war positiv überrascht. Ich trinke gerne irischen Whiskey, aber dieser ist sehr gut. Macht sozusagen Lust auf mehr. Die Briten spielen schon lange nicht mehr die erste Geige beim Whiskey: Iren, Japaner, Deutsche und nun auch Taiwan. Toll so kann weiter gehen. 👍
Während unseres Besuchs in Taiwan haben wir die Kavalan Distillery besucht und an einer Verkostung teilgenomnen.
Zunächst war ich überrascht einen Single Malt ohne Altersangabe vorgesetzt zu bekommen. Es wurde der Kavalan Classic Single Malt Whiskey vorgestellt.
Gefreut habe ich mich auf eine exotische Note – doch blieb es bei der Vorfreude. Mit viel Phantasie war etwas davon im Mund (hinterer Gaumen) erkennbar. Ob ein Tropfen Wasser den Single Malt verändert? Nein – nicht einmal andeutungsweise.
Probieren ja, aber zu einem Preis von über 50 Euro für 7 dl bleibe ich doch bei meinem schottischen Single Malt.