“The Legendary Whisky” – so bezeichnet Crown Royal sich selbst. Ob der kanadische Whisky wirklich legendär ist oder hier einfach mit goldenem Prunk geprotzt wird, das wollen wir in unserem heutigen Tasting herausfinden. Folgt uns auf den Spuren des Crown Royal Whiskys nach Kanada!
Warum spricht hierzulande kaum jemand über kanadischen Whisky? Klar ist: Canadian Whisky steht schon seit längerem im Schatten seiner berühmten Verwandten weiter südwärts. Bourbon und Rye aus Kentucky, Tennessee und anderen US-Bundesstaaten bestimmen das Bild. Bei Kanada denken viele immer noch zuerst an Ahornsirup und Holzfäller, aber nicht an Whisky.
Jim Murray kürte 2006 einen Crown Royal zum “Whisky des Jahres”
Das hat sich ein Stück weit geändert, seit “Whisky-Papst” Jim Murray im Jahr 2016 zur Abwechslung mal einen kanadischen Whisky zum Besten der Welt kürte: Den Crown Royal Northern Harvest Rye. Nun ist Murray bekannt dafür, jedes Jahr aufs Neue irgendeine obskure Abfüllung aus dem Hut zu zaubern und zu prämieren. Wenn es gut läuft, schreiben nicht nur Whisky-Magazine, sondern auch große Medien über die ungewöhnliche Entscheidung und machen so prima PR für seine jährlich aktualisierte “Whisky Bible”, ein Handbuch mit seinen Whisky-Bewertungen.
Auf die Auszeichnung “World Whisky of the Year” solltet ihr also nicht allzu viel geben. Außer natürlich ihr habt schon andere Whiskys verkostet, die Jim Murray super fand und die ihr ebenfalls klasse fandet. Dann habt ihr zufällig denselben Whisky-Geschmack wie er und könnt euch freuen, denn Murray wird sicher weiterhin jedes Jahr einige vermeintliche oder vielleicht auch echte Perlen aus seinem Hut zaubern.

Was ist Canadian Whisky?
Canadian Whisky wird anders als amerikanischer Whiskey mit ‘y’ geschrieben und lehnt sich so an die schottische Schreibweise an (hier erklären wir die Unterschiede zwischen Whisky und Whiskey). Es handelt sich um eine Whisky-Sorte, die etwas weniger streng als Scotch oder Bourbon reguliert ist.
Die wichtigsten Fakten in Kürze: Canadian Whisky muss in Kanada hergestellt und für mindestens drei Jahre im Holzfass gelagert werden. Es handelt sich um “multi-grain spirits”. Dabei wird zunächst aus jeder Getreidesorte (erlaubt sind z.B. Mais, Roggen, Gerste, Hafer, Weizen…) ein einzelner Whisky destilliert. Anschließend wird ein Blend aus den einzelnen Destillaten kreiert. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu amerikanischen Bourbons, bei denen das Getreide schon vor dem Brennen gemischt wird (die so genannte Mash Bill).
Weitere Abweichungen betreffen die Lagerung und die Zusatzstoffe: Canadian Whisky darf anders als amerikanischer Bourbon Whiskey auch in gebrauchten Fässern gelagert werden, der Zusatz von Karamellfarbe und von anderen Spirituosen zur Aromatisierung ist gestattet. Auch wenn das Limit in der Praxis wohl nicht immer ausgereizt wird: Per Gesetz dürfen Brenner ihrem Canadian Whisky bis zu 9,09 % andere “aged spirits” hinzufügen, die kein Whisky sind.
Insbesondere letztere Klausel hat sicher zum etwas zweifelhaften Ruf von Canadian Whisky in Kennerkreisen beigetragen. Warum sollte ich einen gefärbten und aromatisierten kanadischen Whisky trinken, wenn ich für denselben Preis auch einen ungefärbten Bourbon mit natürlichem Geschmack ins Glas bekommen kann? Auf der anderen Seite ermöglicht die zusätzliche Freiheit es den kanadischen Brennern, ihre Whiskys durch Zugabe etwa von Bourbon, Scotch oder Sherry interessanter zu machen.

Crown Royal ist das Aushängeschild für kanadischen Whisky
Hinter der Marke Crown Royal steckt wirklich eine royale Geschichte: Im Jahr 1939 besuchten König George VI und Queen Elisabeth als erste britische Monarchen Kanada. Ein kanadischer Brennerei-Gründer witterte seine Chance und erschuf einen Whisky, der den Anlass würdig feiern und als großzügiges Geschenk für die Monarchen dienen sollte. Angeblich wurden 600 Blends ausprobiert, bevor das Endprodukt in einem Glas-Dekanter und einem violetten Sack mit goldenen Stickereien darauf fertiggestellt wurde. Der finale Whisky war ein weicher und milder Blend aus etwa 50 verschiedenen Whiskys und wurde Crown Royal getauft.
Prunk oder Kitsch? Violetter Beutel und goldener Schraubverschluss
Violetter Stoffbeutel, goldene Kordel – das ist auch genau das, was wir in den Händen halten, als wir den etwas billig wirkenden Pappkarton des Crown Royal öffnen. Darin steckt eine Flasche, die recht altmodisch wirkt und mit den verschiedensten goldglänzenden Elementen verziert ist. Ein goldener Schraubverschluss aus Kunststoff setzt der Geschmacklosigkeit die Krone auf. Etwas mehr royale Zurückhaltung im Design würde dem Crown Royal gut stehen. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch den Preis sehen: 0,7 Liter Crown Royal kosten weniger als 20 Euro. Da ist eine Flasche mit der Ästhetik eines Hibiki 17 Jahre vermutlich einfach nicht drin. Wir haben derweil schon eingeschenkt und freuen uns auf den Inhalt.

Unser Tasting des Crown Royal Canadian Whisky
Wie riecht er?
Mit einem weichen, süßen und jungen Duft eröffnet der Crown Royal aus Kanada die Audienz. Die süßen Aromen von Vanille gehen in eine dezente Nussigkeit über. Wir riechen Erdnüsse, aber auch Marzipan. Ebenso Getreide und eine feine Säure, die an Trauben erinnert. Letztere Note lässt uns an Rum-Rosinen denken. Im Abgang ein paar Sägespäne und etwas geraspelte Zitronenschale, die fein säuerlich-bitter in der Nase kitzelt.
Wie schmeckt er?
Die Milde aus der Nase setzt sich im Mund unverzüglich fort. Wir schmecken Vanille (“wie einer dieser 19-Cent-Vanillepuddings aus dem Kühlregal”) und frischen Apfel. Im Mittelteil sind Getreidenoten präsent, auch nussige Noten schwingen mit. Ansonsten passiert leider nicht wirklich viel. Schnell ist der Abgang da, der sich durch eine leicht alkoholische Bitterkeit bemerkbar macht. Ganz kurz ist noch das Holz zu schmecken, dann ist der Kanadier aus dem Mund und unseren Gedanken verschwunden.
Aktualisiert am 21.09.2023 um 23:08 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API
1 Kommentar
Bin (auch) ein Whisky Trinker ohne mich für einen Experten zu halten.
Ich habe Crown Royal in Canada kennengelernt und fand ihn angenehm mild, meiner Frau schmeckte er auch. Zudem war er für kanadische Verhältnisse relativ preiswert.
Ich bestelle ihn ab und zu bei meinem Lieferanten.
Grüsse an den Fachmann