Inhaltsverzeichnis
- 20.000 Sherryfässer für die Whisky-Industrie – allein in einer Bodega
- “Sherry-seasoned casks” und was sich dahinter verbirgt
- Warum der Begriff “Ex-Sherry-Cask” häufig irreführend ist
- Echte Vintage Sherry Casks sind rar und kostbar
- Für die Sherry-Bodegas lohnt sich die Fass-Herstellung
- Macht es einen Unterschied, ob ein Whisky in echten alten Sherryfässern oder in neuen Seasoned-Casks reift?
- Fazit: Warum wir Whisky-Genießer bei Sherryfässern genau hinschauen sollten
Ortsbesuch der Malt Whisky-Redaktion im spanischen Jerez: Hier sitzen einige der größten Sherry-Bodegas der Welt, geführt von einflussreichen Familien. Wir haben einen Termin bei González Byass. Es geht um Sherry und um Fässer. Exklusiv erhalten wir Einblick in die riesigen Lagerhäuser des Herstellers, in welchen auch die Sherry-Casks für die schottische Whisky-Industrie liegen. Ein Ausflug in eine Welt, die nicht ganz so romantisch ist, wie viele Genießer es immer noch glauben.

20.000 Sherryfässer für die Whisky-Industrie – allein in einer Bodega

“Sherry-seasoned casks” und was sich dahinter verbirgt
Fakt ist, die meisten Sherryfässer werden heutzutage speziell für die Whisky-Hersteller gefertigt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von “sherry-seasoned casks”. Übersetzt bedeutet das so viel wie “mit Sherry gewürzt”, “geimpft” oder “aromatisiert”.
So funktioniert die Aromatisierung der Fässer mit Sherry
Die Eichenholzfässer werden nach einer Vorbehandlung mit relativ neutralem Weinalkohol für einige Monate bis zu einem Jahr mit jungem Sherry befüllt, der von dem frischen Holz gierig aufgenommen wird.
20 Liter Sherry verbleiben in den frischen Holzwänden des Fasses, bis zu 10 Liter an flüssigem Sherry halten zudem das Cask feucht, wenn es nach Schottland geliefert wird. Der übrige Wein aus den Fässern wird meistens zu Sherryessig verarbeitet, er wäre nach der kurzen Lagerung auch nicht fein genug für den Verkauf als Sherry.
Die Whisky-Hersteller bestellen die Sherryfässer nach bestimmten Spezifikationen, die Sherry-Bodegas produzieren diese dann in der gewünschten Menge mit dem passenden Toasting-Level und dem bestellten Seasoning (etwa Oloroso, Pedro Ximenez oder Amontillado-Sherry).

Die bekannte Destillerie Macallan gibt an, dass ihre Fässer bis zu 18 Monate mit Sherry befüllt liegen. Für Oloroso-Fässer komme ein zwei Jahre alter Sherry in die Casks. So steht es zumindest im aktuellen Malt Whisky Yearbook 2019.
Es handelt sich hierbei vermutlich bereits um die “Premium-Variante” des Seasonings: Tatsächlich werden wohl viele Fässer kürzer und mit jüngerem Sherry befüllt…
Die meisten Sherryfässer bestehen aus amerikanischer statt europäischer Eiche
Wurden Sherryfässer früher einmal vorwiegend aus europäischer oder sogar spanischer Eiche hergestellt, so kommt heute sehr häufig amerikanische Eiche zum Einsatz. Sie ist besser verfügbar und günstiger. Zugleich bringen Fässer aus amerikanischer Eiche leicht süßliche Noten etwa von Vanille in das darin gelagerte Getränk. Ein Aroma, welches vielen Genießern gefällt.

Warum der Begriff “Ex-Sherry-Cask” häufig irreführend ist
Der Begriff “Ex-Sherry-Cask”, der sich auf vielen Whisky-Etiketten und in den Marketingtexten der Hersteller findet, ist häufig bestenfalls halbwahr.
Ja, es war mal kurz Sherry in den Fässern, aber es handelt sich eben nicht um Casks, die Teil der ganz normalen Sherry-Produktion in den Bodegas waren. Genau dieses Bild haben wir aber als Whisky-Genießer im Kopf, wenn von “Ex-Sherry-Casks” die Rede ist.
Das kleine Wörtchen “ex”, also “ehemals” deutet an, dass diese Fässer vormals für die Sherry-Herstellung verwendet wurden. Da dies nicht der Fall ist, müsste man in unseren Augen korrekterweise schlicht von “Sherry-Casks” oder ehrlicherweise sogar “Sherry-seasoned casks” reden.
Doch gibt es sie nicht doch, die richtig alten “echten” Ex-Sherryfässer?

Echte Vintage Sherry Casks sind rar und kostbar
Natürlich gibt es in den spanischen Warehouses auch viele sehr alte Fässer: Die meisten Sherry-Casks werden verwendet, bis sie sprichwörtlich auseinander fallen. 50 Jahre und mehr sind keine Seltenheit. Einige der ältesten Sherryfässer sind über 200 Jahre alt.
Das liegt auch daran, dass viele Sherry-Sorten eine biologische Reifung über die Hefe erfahren, welche als Florschicht auf dem Wein liegt und diesen nach außen gegen den Sauerstoff versiegelt. Es kommt bei dieser Reifung also nicht darauf an, dass der Sherry irgendwelche Aromen aus dem Holz des Fasses zieht.
Alte Fässer besitzen ihre eigene Mikroflora, welche individuell unterschiedlich ist. Zu den Prunkstücken jeder Bodega gehören die Casks, die immer einen Sherry in der gewünschten Charakteristik hervorbringen. Folglich werden diese Fässer so lange benutzt, wie nur möglich und wenn überhaupt, dann zu deutlich höheren Preisen verkauft.
Einer der gerne auch kostbare Vintage Sherry Casks für seine Single Malts einkauft, ist Master Blender Richard Paterson. Diese werden für die besonders alten Abfüllungen von The Dalmore verwendet. So reift etwa der Dalmore 40 Jahre erst in Ex-Bourbon-Barrels und wird dann in 30 Jahre alte Matusalem-Sherryfässer von González Byass umgefüllt.
Diese Verwendung alter Sherry-Casks wird von Dalmore nach außen stolz betont, wohl auch weil sie die Ausnahme darstellt: Die allermeisten nicht ganz so mondänen Single Malts mit Sherry-Finish reifen in anonymen “seasoned casks” ohne Historie.

Für die Sherry-Bodegas lohnt sich die Fass-Herstellung
Für die spanischen Bodegas im Sherry-Dreieck ist mit der Produktion von Fässern für die Whisky-Industrie ein vielversprechender neuer Geschäftszweig entstanden. Während ihre eigenen Sherrys teilweise für acht Jahre, 12 Jahre oder teilweise sogar 30 Jahre im Solera-Verfahren reifen, lässt sich ein Seasoned-Cask in weniger als einem Jahr herstellen und verkaufen.
Und Sherryfässer sind im Vergleich zu amerikanischen Bourbon-Barrels nicht billig: Zwischen 700 Euro und 1150 Euro soll ein Sherry-Cask mit 500 Litern Fassungsvolumen ungefähr kosten. Vintage-Sherryfässer der Bodegas kosten ein Vielfaches dieses Betrags.
Für die schottischen Whisky-Destillerien lohnt sich das Geschäft dennoch: Denn Single Malt Whiskys sind – anders als spanischer Sherry – eine eher hochpreisige Spirituose. Und so mancher Genießer zahlt für eine Abfüllung seines Lieblings-Malts mit Finish im PX-Cask oder Oloroso-Sherry-Cask gerne ein paar Euro extra.

Macht es einen Unterschied, ob ein Whisky in echten alten Sherryfässern oder in neuen Seasoned-Casks reift?
Die Frage ist natürlich nicht einfach zu beantworten, denn es fehlt der Vergleich: Wenn wir auf unsere Single Malts schauen, dann wird auf den meisten Flaschen höchstens die Sherry-Sorte (also z.B. Oloroso oder Pedro Ximenez PX) angegeben, nicht aber ob es sich um ein altes Solera-Cask oder ein neu hergestelltes Fass handelt.
Viele schottische Whisky-Hersteller reden nicht gerne über dieses Thema: Denn das Impfen von Fässern mit jungem Sherry passt überhaupt nicht in das idyllische Bild alter spanischer Sherry-Fässer, die einen edlen Malt Whisky mit ihren Aromen veredeln und noch kostbarer machen.
Auffällig ist aber, dass die Whisky-Hersteller für ihre alten und raren Sonderabfüllungen durchaus echte Bodega-Casks erwerben. Diese Sherryfässer sind wie bereits erwähnt besonders kostspielig. Die Whisky-Destillerien würden das vermutlich nicht tun, wenn es nicht doch einen zumindest kleinen Unterschied im Geschmack machen würde.
Und es ist auch gut vorstellbar: Ein Cask welches zuvor 30 Jahre lang reifen Sherry enthielt, hat ganz andere und komplexere Aromen im Holz als eines, welches mal eben für ein paar Monate mit einem jungen Jerez-Wein befüllt wurde.
Klar ist aber auch, dass es für die Menge an Whisky, der im aktuellen Boom weltweit produziert wird, vermutlich einfach nicht genug alte Sherryfässer auf dem Markt gibt. Und vielleicht muss auch nicht jeder Einsteiger-Malt im günstigen Preisbereich unbedingt im uralten Vintage-Cask reifen.
Aber oft genug werden auch hochpreisige Sonderabfüllungen mit der Angabe “Ex-Sherry-Cask” beworben. Und da würden wir dann doch ganz gerne wissen, was hinter der Bezeichnung steckt und wie “echt” das Sherryfass wirklich ist.
Erfahre mehr zu Whiskyfässern und Lagerung
Fazit: Warum wir Whisky-Genießer bei Sherryfässern genau hinschauen sollten
Zu selten wird hinterfragt, was sich wirklich hinter dem Begriff “matured in sherry casks” verbirgt: Ist es ein echtes altes Cask mit langer Tradition, welches die Aromen mehrerer Jahrzehnte in seinen Fasswänden trägt? Oder ein schnell produziertes “Seasoned cask”, welches zügig ein paar fruchtige oder holzige Sherry-Aromen in den Whisky bringen soll?
Das Verständnis über das eingesetzte Fass hilft uns Genießern dabei einzuschätzen, wie kostbar (oder eben auch nicht) ein bestimmter Single Malt ist. Nur die Angabe “Ex-Sherry-Cask” und die Sorte allein auf dem Etikett hilft hier aber nicht weiter – im Gegenteil führt sie häufig in die Irre.
Es liegt also an uns Genießern und Liebhabern nachzuhaken, welche Fässer für den Whisky verwendet wurden, aus welchen Bodegas sie stammen, ob es sich um alte oder neue Casks handelt und wie sie hergestellt wurden.
Auch wenn die Spirituose Whisky dabei wieder einmal um ein gutes Stück komplexer wird, als sie es ohnehin schon ist.
Hinweis: Gonzalez Byass hat uns zu dieser Reise nach Jerez eingeladen, um für unser Spirituosen-Magazin Liquid Stories über Sherry zu berichten. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung.
6 Kommentare
Meines Wissens waren die Sherry-Fässer für Whisky nie die Fässer aus der Solera-Pyramide. Denn diese verbleiben ja in der Pyramide bis sie – wie oben erwähnt – auseinander fallen und unbedingt getauscht werden müssen. Denn das ist ja auch der Sinn des Solera-Systems, dass immer ein wenig alter Sherry in den Fässern verbleibt und diese nie ganz geleert werden.
Die traditionell für die Whisky-Reifung verwendeten Sherryfässer waren ja die Transportfässer für den fertig gereiften Sherry von Spanien nach Großbritannien, noch bevor eine Abfüllung in Flaschen üblich war. Da der Rücktransport zu teuer war, wurden die Fässer einfach für die Lagerung des Whiskys weiterverwendet.
Korrigiert mich, sollte ich da falsch liegen.
Hallo,
wir wollen demnächst in unserem kleinen Whiskycircle e.V. einige Sherry-Cask-Malts in Kombination mit Oloroso- und PX-Sherry tasten – denn den “Original” Sherry-Geschmack kennen wir kaum. Habt ihr einen Tipp zur Verkostungsreihenfolge? Besteht z.B. die Gefahr, dass die Sherrys zu sehr die Geschmacksknospen belegen?
Freuen uns über Tipps und Erfahrungen!
Hallo Holger,
der direkte Vergleich von Whisky und Sherry klingt in jedem Fall spannend. Ich würde zuerst den Single Malt verkosten und dann den jeweils korrespondierenden Sherry, da die Aromen im Whisky feiner angelegt sind.
Zwischendurch helfen sicher klares Wasser und Weißbrot dabei, die Aromen im Mund etwas zu neutralisieren.
Berichte doch gerne mal, was bei Eurem Versuch herausgekommen ist!
Viel Erfolg und beste Grüße
Lukas
Hallo,
dieser Bericht ist sehr interessant und mittlerweile rund 1,5 Jahre alt. Konntet ihr in der Zeit bereits Whisky aus alten Vintage Fässern kosten und habt ggf. eine Auswahl, damit wir ebenfalls den Unterschied erschrecken können?
Vielen Dank an euch!
Hallo Christian,
tatsächlich haben wir in der Zwischenzeit zahlreiche weitere Sherry-Cask-Whiskys verkostet. Du findest sie in unserer Bestenliste zu Whiskys mit Sherry & Frucht.
Leider lassen sich die meisten Hersteller nicht in die Karten gucken, welche Fässer sie genau für ihre Whiskys verwenden.
Wir empfehlen aber nur sherrygeprägte Single Malts, die uns auch geschmacklich überzeugt haben.
Viele Grüße
Lukas vom Malt Whisky Magazin
Ich fühle mich nach dem Lesen aller Beiträge über die Lagerung der Whiskys in den unterschiedlichsten Fässern betrogen und verarscht und werde meinen Single Malt nur noch mit Freunden und nach unserem Geschmacksempfinden genießen.