Inhaltsverzeichnis
- Die meisten Whiskyfässer lagern nicht vor Ort bei den Destillerien
- Warum viele Whiskys an unromantischen Orten reifen
- Besucher bekommen die historischen Dunnage-Warehouses gezeigt
- Die meisten schottischen Whiskys lagern in Hochregallagern
- Welchen Einfluss hat der Ort der Lagerung auf den Whisky?
- Dunnage vs. Racked Warehouse – was ist der Unterschied?
- Warum wir offen über die Realität der Whisky-Lagerung reden sollten
Die meisten Whiskyfässer lagern nicht vor Ort bei den Destillerien
Ein anderer Tag, ein anderer Ort: Der plötzliche Starkregen hat unsere Besuchergruppe kalt erwischt. Wie aufgescheuchte Hühner huschen wir vom Besucherzentrum der GlenDronach-Destillerie über den Hof zu einem alten Warehouse. Unser Guide schließt auf: Drinnen liegt der Duft von reifem Whisky in der Luft. Auf dem Kiesboden in ordentlichen Reihen die Fässer: Bourbon-Barrels und Pedro Ximenez-Casks, einige mit weiß lackierter Front, manche umrahmt von Spinnweben.
Der Lagerraum ist nicht voll, hier wäre eigentlich Platz für drei Lagen von Fässern. Vielleicht liegt es an der Ruhephase der Destillerie im Sommer – in jedem Fall aber ist das halb leere Dunnage-Warehouse von GlenDronach an diesem Tag das perfekte Bild für diese Geschichte: Denn der Whisky, das flüssige Gold der Destillerie, lagert teilweise längst woanders.

Warum viele Whiskys an unromantischen Orten reifen
Diese Geschichte beginnt mit GlenDronach, aber sie hätte auch mit Lagavulin oder Talisker, mit Bowmore, Aberfeldy oder Dalwhinnie anfangen können. Denn alle großen Hersteller machen es gleich: Sie lagern einen Großteil der hergestellten Single Malts in zentral gelegenen Lagerhäusern, hunderte von Kilometern von der eigentlichen Destillerie entfernt.
Man findet diese Orte, wenn man per Google-Maps-Satellit über die Peripherie von Glasgow und Edinburgh, sowie die Region Fife scrollt: Viele der Lagerhäuser liegen verkehrsgünstig zu den beiden größten Städten des Landes, das nächste Autobahnkreuz ist meist nicht weit.
Klar, denn der Whisky soll nach der Reifung schnell nach Europa und in alle Welt transportiert werden. Dies aus den hinteren Winkeln der Highlands oder von den schottischen Inseln konstant zu organisieren, wäre eine logistische Herausforderung und in jedem Fall kostspieliger als die zentrale Lagerhaltung mit Abfüllanlage.
Hallo Nachbar: Die Blackgrange-Warehouses von Diageo stehen neben mehreren Hühnerfarmen
Besucher bekommen die historischen Dunnage-Warehouses gezeigt
Natürlich gibt es sie noch, die kleinen romantischen Lagerhäuser auf dem Gelände der Destillerie: Gebaut aus massivem Stein mit rot oder grün lackierten Stahltüren, der Whisky fein säuberlich in drei Lagen aufgestapelt. Ein Dunnage-Warehouse, wie es in Schottland über Jahrhunderte zur Lagerung von Whisky genutzt wurde. Es bildet den Höhepunkt jeder Destillerie-Tour. Die Touristen posieren vor den Fässern, machen schnell noch ein Selfie, bevor es weitergeht im Reisebus oder Mietwagen zur nächsten Brennerei.

Die Besucher haben das Gefühl zu sehen, zu riechen und zu spüren, wie ihr Lieblingswhisky reift. Nichts erscheint einem so authentisch, wie der Besuch in diesem Lagerhaus, welches genau das Bild aufgreift, welches man im zuvor gezeigten Werbevideo, in der Broschüre oder auf der Webseite in Variationen schon gesehen hat: Starke Männer rollen da die Fässer durchs Warehouse, alles wirkt klein und überschaubar, das Licht ist angenehm warm.
Wer einmal kurz nachrechnet, kommt natürlich darauf, dass die Zahl der in diesen Show-Warehouses gelagerten Fässer niemals zum jährlichen Ausstoß einer Destillerie passen kann: Mehrere Millionen Liter New Make pro Jahr stehen ein paar tausend Fässern in den gezeigten Lagerhäusern gegenüber. Bedenkt man, dass Single Malts häufig zwischen 10 und 12 Jahren reifen, aber auch Altersstufen von 15 bis 21 Jahren keine Seltenheit sind, dann muss man die Produktionsmenge nur mit dieser Zahl an Jahren multiplizieren. Ein Meer aus Fässern und Lagerhäusern ist die Folge – und das sieht dann gar nicht mehr so romantisch aus.
Verkehrsgünstige Lage: In den Westthorn Warehouse im Gewerbegebiet von Glasgow lagert Beam Suntory viele seiner Whiskys
Die meisten schottischen Whiskys lagern in Hochregallagern
Tatsächlich reifen die meisten schottischen Whiskys in so genannten Racked-Warehouses. Diese großen Hallen kann man sich wie ein Lagerhaus des Versandgiganten Amazon vorstellen: Zwischen acht und zwölf Lagen hoch liegen die Whiskys in einem Hochregal. Gabelstapler fahren umher, hieven die Casks an ihre im System festgelegte Position. Jedes Fass ist über einen Barcode identifizierbar: Der Mitarbeiter kann über einen Scanner abrufen, welcher Whisky in ihm schlummert, wie lange er schon dort liegt, welche Parameter bei der Herstellung zum Einsatz kamen.

Die meisten Whisky-Lagerhäuser werden mit Fässern verschiedener Destillerien des Unternehmens befüllt. Da reifen sie einträchtig nebeneinander, die maritimen Insel-Whiskys von Talisker die fruchtigen Speyside-Malts von Cardhu und die Torfmonster von Lagavulin oder Caol Ila.
Dass die Destillerien im Marketing streng voneinander getrennt werden, die Whiskys jeder für sich eine andere Zielgruppe ansprechen, hier spielt es keine Rolle: Im High-Rack-Warehouse ist jeder Whisky gleich.
Welchen Einfluss hat der Ort der Lagerung auf den Whisky?
Noch immer wird häufig eine direkte Verbindung zwischen den Aromen eines Whiskys und der Lage der Destillerie gezogen. Da heißt es dann, dass ein Single Malt nach Meersalz schmecke, weil er direkt an der Küste reife.
Natürlich ist es ein schönes Bild, dass ein Fass über all die Jahre die frische Seeluft atmet und der Whisky dann deshalb salzig und nach Seetang schmeckt – aber dies tun eben auch Whiskys der gleichen Marke, die irgendwo in einem unscheinbaren Gewerbegebiet bei Glasgow oder in einem kleinen Ort in der Region Fife reifen. Die Wirkung der Umgebung, in der ein Fass reift, wird in der allgemeinen Wahrnehmung deutlich überbewertet.
Zwei wichtige Faktoren bestimmen im Lagerhaus, wie ein Whisky reift: Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit. Hier gibt es Unterschiede zwischen traditionellen Dunnage-Warehouses mit dreilagigem System und den modernen Racked-Warehouses.

Dunnage vs. Racked Warehouse – was ist der Unterschied?
Das Dunnage-Warehouse ist das traditionelle Lagerhaus für schottischen Whisky. Es ist üblicherweise nicht mehr als ein oder zwei Stockwerke hoch, hat dicke Steinmauern und einen Boden aus Erde. Meist werden die Fässer in nicht mehr als drei Lagen übereinander gestapelt. Durch die engen Gänge müssen die Casks häufig noch von Hand gewendet werden.
Racked Warehouses gibt es seit den 1950er Jahren. Es handelt sich um moderne Lagerhäuser aus Ziegelsteinen, Beton oder Stahl mit festem Boden, in welchen Fässer in langen Reihen zwischen acht und zwölf Lagen hoch gestapelt werden können.
Eine Variante ist das Palletised Warehouse, in welchem die Casks aufrecht auf Paletten gestapelt werden. Dies hat den Vorteil, dass sie von den Arbeitern leichter mit einem Gabelstapler bewegt werden können.
Während Dunnage-Lagerhäuser durch die dicken Steinwände und den Erdboden auch im Sommer immer recht kühl und feucht bleiben, können sich Racked Warehouses mit dünnen Wänden und einem Blechdach schneller aufheizen.
Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen Lagen: So reifen Whiskyfässer oben im Racked-Warehouse aufgrund der höheren Temperatur schneller, als welche am Fuß des Stapels.
Auch auf den so genannten Angels’ Share, also die Menge an Flüssigkeit die durch die Fasswände verdunstet, haben die Temperatur und das Klima im Lagerhaus einen entscheidenden Einfluss.
Die Unterschiede sind den Destillerien sehr wohl bewusst und sie gleichen sie beim Blending der verschiedenen Fässer zu einem Single Malt aus, indem Casks verschiedener Lagen miteinander vermählt werden.

Warum wir offen über die Realität der Whisky-Lagerung reden sollten
Noch immer setzen die meisten Whisky-Hersteller auf romantische Bilder: Sie zeigen die rustikalen, kleinen Dunnage-Lagerhäuser auf dem Gelände und erwähnen allenfalls am Rande, dass auch noch Whiskys in anderen Warehouses reifen.
Das es auch anders geht, sieht man in den USA oder in Japan: In Kentucky zeigen Destillerien wie Four Roses bereitwillig ihre riesigen High-Rack-Warehouses. Und auch bei Hakushu in den japanischen Alpen ist man stolz auf seine modernen Hochregallager, in welchen die feinen Malts zur Perfektion reifen.
Diese Orte fühlen sich für mich weitaus ehrlicher an, als die Show-Warehouses, die man in manchen schottischen Destillerien während einer Tour gezeigt bekommt. Die schottischen Whisky-Hersteller sollten sich hier ein Beispiel nehmen und auch diese etwas industrieller wirkenden Orte für Besucher zugänglich machen. Der Faszination für den Whisky wird es keinen Abbruch tun, wenn man sieht, dass die Casks in einem Hochregal zur Vollendung reifen!
8 Kommentare
Ja – natürlich stimmt es, dass ein Großteil der Whiskyfässer nicht in klassischen Dunnage-Warehouses bei der entsprechenden Destillery lagert.
Aber: Nein – daraus zu folgern, dass der Standort der Lagerung eine ganz untergeordnete Rolle für die Reifung des Whisky spielt, wäre ein Trugschluss.
Nicht umsonst legen erfahrene Malt-Produzenten wie bei Bruichladdich großen Wert auf eine Lagerung vor Ort. “Terroir matters” ist hier keine Marketing-Worthülse!
Insbesondere bei den maritimen Malts ist der Unterschied einer Lagerung vor Ort oder in den Lowlands überdeutlich schmeckbar. Man vergleiche doch mal einen Caol Ila aus der Range der Originalabfüllungen, gelagert in den Lowlands, mit einer unabhängigen Abfüllung, die in dem einzigen Lagerhaus bei Caol Ila reifen durfte! Das Ergebnis spricht eine deutliche Sprache.
Der langjährige Manager von Lagavulin, Grant Carmichael, war jedenfalls entsetzt als er erfuhr, dass Diageo den Lagavulin nicht mehr auf Islay lagern wird (seit 2007). Seither ist der
16-jährige Standard-Lagavulin schleichend immer schlechter geworden. Das kann jeder heute schon feststellen, wenn er die aktuelle Abfüllung mal mit einer älteren vergleicht.
Spätestens 2023 (2007 + 16 Jahre) wird es dann mit der maritimen Note ganz vorbei sein – wie eben beim Caol Ila.
Gott-sei-Dank gibt es aber die Unabhängigen! Die werden uns in raren Single Cask Bottlings immer mal wieder daran erinnern, wie die maritimen Giganten Talisker, Lagavulin, Caol Ila etc. einmal geschmeckt haben.
Nun ja, eine logische Sache. Wer Wert auf den Aspekt der Vor-Ort-Reifung legt, wird allerdings auch bedient.
Bruichladdich beispielsweise lagert alle Fässer hinter der Destillerie direkt in der Bucht von Islay. Auch Bunnahabhain auf Islay hält es meines Wissens so.
Was die erwähnte Hakushu-Destillerie angeht kann ich aus eigener Anschauung sagen, dass dort durchaus die erwähnten Hochregallager zum Einsatz kommen. Jedoch stehen diese eben in unmittelbarer Nähe zur Destillerie in einem schön gelegenen Wald in den japanischen Alpen. Dies kann man auch sehr gut auf Satellitenaufnahmen sehen.
Bin zum ersten Mal hier und freue mich über die sachliche und interessante Information.
Vielen Dank für den spannenden Bericht (zwar etwas desillusionierend, auch wenn es bei den Mengen absolut logisch ist). Frage: Beim Oban schmeckt man m.E. schon eine leichte Salznote heraus. Wie wird dieser Effekt erreicht, wenn der Whisky wahrscheinlich verkehrsgünstig im Landesinneren reift? Indem die leeren Fässer vor der Befüllung lange Zeit der salzigen Luft ausgesetzt sind? Oder befüllt man sie eine gewisse Zeit mit Meer- oder Salzwasser bevor sie für die Whiskybefüllung genutzt werden?
Ich beschäftige mich schon länger mit Whisky (nur als Hobby…), aber so eine Praxis ist mir weder bei Destilleriebesuchen, noch bei der Lektüre jemals untergekommen. Kann ich mir auch nicht vorstellen. Die Geister scheiden sich ohnehin bei der Diskussion, ob überhaupt Außenluft in das Fass eindringt.
Meine Theorie ist etwas anders geartet. Gerade die angeblich ‘salzig’ daherkommenden Whiskys sind i.d.R. solche, die einen mehr oder weniger starken Rauchanteil aufweisen. Diesen bringt die Nase bzw. das Gehirn oft mit salzigen Noten (geräucherter Schinken) in Verbindung. Mal abgesehen davon, dass Salz vollkommen geruchsneutral ist. Ich habe einmal einem von Whiskykenntnissen unbelasteten Freund ein Glas Port Charlotte angeboten. Seine allererste Assoziation nur vom Geruch her war ‘Schinken’.
Ich schätze, unser Unterbewusstsein steuert dann noch das ‘Salz in der Suppe’ bei…
Prima Artikel! Es gibt übrigens auch neben dem “Central Belt” auch einige Lagerhaus-Komplexe von Chivas Brothers in der Speyside.
Lobenswert, die Entlarvung von Marketing-Bla-Bla: Dunnage-Warehouses als Showrooms! Wenn auch dabei wieder ein Stück Whisky-Romantik flöten geht!
Danke mal wieder für den etwas kritischeren Kommentar. Wird hier gar Journalismus betrieben…?! 😉
Das gefällt mir bei Maltwhisky.de sowieso sehr gut – gelegentlich wird etwas genauer hingeguckt und geurteilt. So habe ich mich, wenn auch mit einem selbstversöhnlichen Schmunzeln, schon ein paar Mal ob meines Konsumverhaltens “ertappt” gefühlt 🙂