‘Non chill-filtered’ – dieser Begriff auf dem Etikett einer Whiskyflasche klingt erst einmal gut. Und viele Whisky-Genießer sind fest davon überzeugt: Ein ungefilterter Single Malt ist das Nonplusultra. Doch was passiert eigentlich bei der Kältefiltration von Whisky eigentlich genau? Und schmecken ungefilterte Whiskys wirklich besser?
Inhaltsverzeichnis
Was versteht man unter Kältefiltration?
Bei der Kältefiltration wird der Whisky vor der Abfüllung in Flaschen auf eine niedrige Temperatur heruntergekühlt. Bei 0° Celsius oder etwas darunter wird die Flüssigkeit dann durch einen sehr feinen Filter gepumpt. Dadurch sollen Schwebeteilchen und Rückstände der Destillation aus dem Whisky gefiltert werden.

Warum wird Whisky kühlgefiltert?
Die meisten Scotch Whiskys werden mit weniger als 46 % Alkoholgehalt abgefüllt. Gibt man nun Wasser oder Eis in den Whisky, kann er sich eintrüben (man spricht auch vom “whisky haze”). Bei höherprozentigen Abfüllungen tritt dieses Phänomen nicht auf.
Drei Faktoren können zur Trübung des Whiskys führen:
- Während der Herstellung des Whiskys sind langkettige Fettsäuren und große Ester-Moleküle entstanden (mit den genauen Details wird euch der Lebensmittelchemiker eures Vertrauens sicher gerne
mehrere Stunden langweilenbegeistert unterhalten). Diese Stoffe werden bei niedrigen Temperaturen als Schlieren oder Trübung im Whisky sichtbar. - Während der Lagerung des Whiskys können sich verschiedene Holzextrakte (Lipide und langekettige Fettsäureester) und mikroskopisch kleine Schwebeteilchen (Kohle bzw. Holzpartikel) aus dem Eichenholz lösen und die Flüssigkeit trüben.
- Das Quellwasser, welches zur Verdünnung des Whiskys auf zum Beispiel 40 % Alkoholgehalt verwendet wird, kann Calciumsalze (sogenannte Calciumoxalate) enthalten. Diese sehr kleinen Kristalle können ebenfalls sichtbar werden und das Destillat trüben. Deshalb wird das Wasser häufig demineralisiert, bevor es dem Whisky zugegeben wird.
Die beschriebene Eintrübung des Whiskys ist gesundheitlich unbedenklich. Eigentlich könnte man den Whisky also naturbelassen so wie er ist in die Flasche füllen.
Nehmen wir jedoch einmal an, dass ein unbedarfter Kunde, der sich mit diesen Effekten nicht auskennt, im Geschäft vor dem Whisky-Regal steht. Er sieht eine eingetrübte Whisky-Flasche. Oder er hat die Flasche schon gekauft und stellt zuhause beim Feierabend-Drink mit Eis fest, dass der Whisky sich eintrübt. Vielleicht ist er verunsichert, ob das so sein soll.
Genau diesen Moment wollen die Whisky-Hersteller gerne vermeiden: Ihr Produkt soll so klar und unveränderlich in der Flasche sein, dass keine Zweifel an der Qualität aufkommen. Der Whisky wird also fast ausschließlich aus ästhetischen und kosmetischen Gründen kühlgefiltert und nicht aus aromatischen.

Werden Aromen aus dem Whisky gefiltert?
Nun hat sicher niemand etwas gegen einen klaren, brillant strahlenden Whisky im Glas einzuwenden. Wäre da nicht die große Sorge, die viele Whisky-Kenner umtreibt: Was ist, wenn bei der Kältefiltration auch Aromen aus dem Whisky entfernt werden? Wenn die Textur und das Mundgefühl des Whiskys beeinträchtigt werden?
Aufklärung könnte wohl am besten eine Blindverkostung verschiedener filtrierter und unfiltrierter Whiskys liefern. Genau ein solches Tasting hat der deutsche “Whisky-Papst” Horst Lüning 2014 durchgeführt. Das erstaunliche Ergebnis: Selbst Tasting-Experten konnten im Vergleich kaum Unterschiede zwischen kühlgefilterten und nicht-kühlgefilterten Whiskys herausschmecken. Auch gefielen die ‘non chill-filtered’-Whiskys den Testern nicht besser als ihre filtrierten Gegenparts.
Ob ein Whisky gefiltert oder nicht gefiltert wird, macht also für uns Genießer im Prinzip erstmal keinen großen Unterschied: Die geschmacklichen Unterschiede sind allenfalls minimal. Schon eher macht die Alkoholstärke der Abfüllung einen Unterschied – denn viele ungefilterte Malts haben gleichzeitig auch mehr Prozent oder sind Cask-Strength-Whiskys.
Und dennoch bleibt ein ungutes Gefühl dabei: Whisky soll auf der einen Seite traditionell, naturbelassen und authentisch sein, auf der anderen Seite wird jedoch kurz vor Abfüllung kräftig nachgefiltert. Das passt nicht so ganz zusammen.
Ähnlich sieht es mit dem Färben des Whiskys mit Zuckerkulör (E150) aus, welches den Destillaten eine kräftigere Farbe verleihen und Unterschiede in der natürlichen Tönung ausgleichen soll. Auch hier sind es kosmetische Gründe – wirklich brauchen tut man den Farbstoff eigentlich nicht.

Viele kleinere Brennereien filtern ihre Whiskys nicht
Interessanterweise sind es vor allem kleinere Brennereien und unabhängige Abfüller, die auf die Kältefiltrierung ihres Whiskys verzichten. Dagegen setzen große Marken die Methode fast durchgängig ein. Ein Grund könnte sein, dass die kleineren Marken sich mit ihren Malts ohnehin eher an Whisky-Kenner richten, die eine ungefilterte Qualität zu schätzen wissen. Zu den Destillerien, die ihre Whiskys unseres Wissens nach durchgängig nicht filtern gehören unter anderem:
- Ardbeg
- Arran
- Bruichladdich,
- Bunnahabhain
- Deanston
- GlenAllachie
- Ledaig
- Longmorn
- Tobermory
- Port Charlotte
- Wolfburn
Unter Whisky-Enthusiasten wird das Thema rege diskutiert – dem “casual drinker” dürfte es hingegen in der Regel egal sein, ob sein Glenfiddich oder Macallan gefiltert wurde oder nicht. Aber der Trend zeigt in eine andere Richtung: Auch von Destillerien wie Auchentoshan oder Aberlour gibt es inzwischen erste ungefilterte Abfüllungen, je mehr Menschen über das Thema diskutieren und es bewusst bei einer Kaufentscheidung wahrnehmen, umso eher wird Bewegung in die Whisky-Industrie kommen.
Unsere Empfehlungen: 5 gute ungefilterte Whiskys

GlenDronach 18 Jahre
Ohne Sherry geht bei GlenDronach nichts: Fast alle Single Malts der Brennerei in den östlichen Highlands reifen früher oder später in Sherryfässern. So auch der GlenDronach 18 Jahre, der komplett in spanischen Oloroso-Sherryfässern reifen durfte. Im Tasting wirkt dieser Whisky mit seinen trockenen Noten nach Weintrauben, Rosinen und dunklem Holz sehr fein durchkomponiert. Ein traditioneller Sherry-Cask-Whisky, der mit ehrlichen 46 % Alkohol in natürlicher Farbe und ungefiltert abgefüllt wird. Tasting-Empfehlung!
Aktualisiert am 5.06.2023 um 20:53 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API

Deanston 18 Jahre
Auf dem Weg in die Highlands ist die Deanston Distillery immer einen Stopp wert. Auch der Deanston 18 Jahre hat im Tasting einiges zu bieten: Bedächtig breitet er seine milden Aromen von Getreide, Vanille und Orangenschalen im Mund aus. Ein schöner runder Whisky für den Feierabend, mit fairem Preis und zudem ungefärbt und ungefiltert.
Aktualisiert am 5.06.2023 um 23:42 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API

Ardbeg Uigedail
Für den Ardbeg Uigeadail wird eine Mischung aus 90 % Bourbon-Barrels und 10 % Sherry-Casks verwendet. Trotz seiner kräftigen 54,2 % ist er im Tasting ausgewogen und wahrt die Balance zwischen Rauch, Torf und Süße. Rausgefiltert wird hier jedenfalls nichts: Die Farbe ist natürlich und der Whisky kommt wie für Ardbeg üblich ‘non-chill-filtered’ in die traditionelle dunkelgrüne Flasche.
Aktualisiert am 6.06.2023 um 04:28 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API

Aberlour A’Bunadh
Der Name A’Bunadh soll soviel wie “der Ursprung” bedeuten. Das Konzept dieses kräftigen sherrygeprägten Whiskys ist bestechend einfach: Für die Reifung werden ausschließlich spanische Oloroso-Sherryfässer verwendet. Die Abfüllung in Cask-Strength erfolgt in Batches sowie ungefärbt und ungefiltert. Ein kräftiger sherrygeprägter Whisky, den man erlebt haben muss. Klare Empfehlung von uns für den A’Bunadh von Aberlour aus der Speyside.
Aktualisiert am 6.06.2023 um 02:49 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API

Port Charlotte 10 Jahre
Der Port Charlotte 10 Jahre ist eine richtige Wuchtbrumme von Islay: Im Tasting überzeugt der aus kräftig getorfter schottischer Gerste gebrannte Whisky mit intensiven Kaskaden aus rauchigen, erdig-salzigen aber immer wieder auch fruchtigen Noten. Letztere könnten von der teilweisen Reifung in französischen Weinfässern stammen. Abgefüllt mit 50 % sowie ungefiltert und ungefärbt ist dieser Single Malt aus der Bruichladdich-Destillerie mehr als nur ein Dram wert. Für uns eine Pflichtflasche in jeder gut sortierten Heimbar!
Aktualisiert am 6.06.2023 um 04:28 Uhr | Affiliate Links | Foto: Amazon PA API
6 Kommentare
Die Studie des Dr. Horst Lüning ist leider nicht dafür ausgelegt, ob kühlgefilterte Whiskys besser schmecken. Die durchgeführte Kühlfilterung war ein guter Start, aber zur Klärung der Frage, ob die Kühlfilterung Auswirkungen auf den Geschmack hat bzw. was statistisch besser schmeckt, kann nur ein blinder Direktvergleich liefern. Die Probanden hätten jeden Whisky in zweifacher Ausführung bekommen und angeben müssen, welcher besser schmeckt. Darunter hätte man auch einen Whisky packen können, der doppelt in einer Variante vorliegt, um zu erfassen, ob da auch Unterschiede und Vorzüge erschmeckt werden.
Doch noch was gefunden:
http://www.maltmaniacs.net/E-pistles/Malt_Maniacs_2012_01_The%20Taste%20of%20Chill%20Filtration.pdf
Hallo Highland Parker,
danke vielmals für deinen hilfreichen Kommentar und auch für die zweite Studie!
In der Studie von Horst Lüning gab es so wie ich es verstanden habe, keinen direkten Tasting-Vergleich zwischen einer Probe gefiltert/ungefiltert, aber die Teilnehmer haben die Qualität der gefilterten & ungefilterten Whiskys einzeln bewertet. Dabei schnitten beide Arten ungefähr gleich gut ab. Dazu mussten sie noch eine Zuordnung treffen.
Ungeachtet von dem unterschiedlichen Aufbau der Untersuchungen deutet sich bei beiden Studien letztendlich ein ähnliches Ergebnis an:
1. In einer Blindverkostung fällt es den Teilnehmern sehr schwer, gefiltert/ungefiltert korrekt zuzuordnen
2. Ungefilterte Whiskys schmecken nicht generell besser
In der Realität hat man als Genießer allerdings häufig leider sowieso nicht die Wahl, denn kaum eine Destillerie bietet ja beide Varianten für den gleichen Whisky parallel an…
Viele Grüße
Lukas vom Malt Whisky Magazin
Spannend wäre es ja mal das gleiche batch eines Whiskys mal gefiltert und ungefiltert zu probieren… Aber ob sowas überhaupt angeboten wird weiß ich leider nicht.
Mein Favorit bei den ungefilterten (und auch ganz generell) ist der Ardbeg Uigeadail 🙂
Viel mehr stört mich die Färbung der Whiskys. Kühlfiltration scheint dem Whisky nicht zu schaden (Aroma, geschmacklich). Arran 10 mit 46% Alkohol wurde mir im Winter geliefert, hatte dabei eine Temperatur von 0 – 5° Celsius (weiß es nicht mehr genau, auf jeden Fall nicht unter 0°C.) und war trüb, später aber wieder klar geworden.
Das ist eine spannende Sache – für mich persönlich ist es aber tatsächlich das, was Ihr angesprochen habt, was mich dazu bringt, unfiltrierte Whiskys zu bevorzugen, selbst wenn man es nicht schmeckt: Das Filtern ist ein subtraktiver Prozess. Er bringt dem Whisky nichts, außer der reinen Kosmetik (die, da meist auch neben dem Filtern noch gefärbt wird, stark überbetont wird). Ich persönlich bevorzuge möglichst naturnahe, unbehandelte Produkte. Daher ist die Aussage von Horst Lüning, die Ihr zitiert, dass Filtern nur eine Marketingaussage sei, für mich nicht gültig: Das Weglassen eines unnötigen Produktionsschritts ist bereits ein Wert für sich.